Wölbstruktur: Sparsam und schön anzuschauen

Leicht und geräuschdämmend - die wölbstrukturierte Rückwand im Mercedes SLK.

Best Practices // 31. Juli 2014

Wölbstruktur: Sparsam und schön anzuschauen

Bionik-Innovation
In der Natur gibt es vielfältige Wölbstrukturen mit wabenähnlichen Mustern – ob nun bei Schildkrötenpanzern oder der Schlangenhaut. Diese haben zahlreiche gute Eigenschaften: Sie sind vergleichsweise leicht und dennoch formstabil, nehmen vergleichsweise viel Stoßenergie auf ohne zu brechen und sind dazu oft wetterfest wie optisch gut anzuschauen. Aus diesem Vorbild entwickelten Forscher und Firmen wie die Dr. Mirtsch GmbH hexagonale Wölbstrukturen, die zum Beispiel auf Folien oder Metallbleche aufgebracht werden. Die Materialien mit wabenähnlichen Mustern sind nicht nur vergleichsweise steifer, sondern auch thermostabiler, widerstandsfähiger, strömungsgünstiger und blendärmer. In vielen Fällen kann damit eine Material- oder Gewichtsersparnis von bis zu 30 Prozent gegenüber vergleichbaren Produkten realisiert werden. „Was die Evolution geleistet hat, ist einfach fantastisch. Da können wir noch viel lernen“, sagt Firmenchef Professor Frank Mirtsch.

Technische Anwendung
Eines der Vorzeigebeispiele für die Wölbstrukturierungstechnik ist die liebevoll als „blaue Schildkröte“ bezeichnete Sporthalle in Odessa. Das wölbstrukturierte Aluminiumblech bringt etwa 30 Prozent Gewichtseinsparung gegenüber der konventionell glatten Konstruktion. Früher gefürchtete Hagelschäden sind wegen der hohen Steifigkeit und der diffusen Lichtbrechung kaum sichtbar. Ein anderes Beispiel: Die Firma Miele hat eine Schontrommel mit Wabenstruktur patentiert. Sie sieht in der „weltweit ersten bionischen Waschmaschinentrommel“ eine „sanfte Revolution“, die einen wäscheschonenden „Quantensprung“ bringe. Im Automobilbau wird das Material im Mercedes SLK – wo eine wölbstrukturierte Rückwandplatine Material spart, geräuschmindernd wirkt und einen geringen Bauraum beansprucht sowie bei einem Leichtbau-Katalysator eingesetzt. Auch bei der blendarmen Leuchte Hexal der Firma Siteco zeigen sich die Vorzüge der Wölbstrukturen.

Bionisches Funktionsprinzip
Wölbstrukturen in der Natur vereinen viele praktische Eigenschaften. Bei Experimenten wurde festgestellt, dass sich dieser kontrollierte Selbstorganisationsprozess technisch nachempfinden lässt. In der Produktion von wölbstrukturierten Werkstoffen wird sanfter Druck auf ein gekrümmtes, dünnes Material ausgeübt, das gleichzeitig abgestützt wird. Dabei weicht das Material intelligent und energieminimiert in eine 3D-Struktur aus, die allseitig formsteifer als das Ausgangsmaterial ist und gleichzeitig die Oberflächengüte vollständig erhält. Mit dem ausgeklügelten Verfahren kann die Wölbstruktur auf Bleche, Folien oder andere Materialien aufgebracht werden.

Vorbild aus der Natur
Schildkröten gibt es auf der Erde in über 300 Arten und schon mehr als 220 Millionen Jahre. Das zeigt, wie perfekt sie an das Leben angepasst sind. Das große Erfolgsgeheimnis ist dabei ihr wölbstrukturierter Panzer, unter den sich die Schildkröten bei Gefahr zurückziehen können. Er kann bei Riesenschildkröten ein Gewicht von mehreren Hundert Kilo aushalten. Gut gepanzert können Schildkröten über 100 Jahre alt werden.

>> Zahlen <<

30 Prozent beträgt die mögliche Gewichtsersparnis durch Leichtbau-Produkte mit der Wölbstrukturierungstechnik.

>> BIOKON-PROFIL <<

Prof. Dr. Frank Mirtsch studierte Verfahrenstechnik an der TH Hannover und der Universität Hamburg. Von 1988 bis 2009 wirkte er als Professor für Thermodynamik, thermische Verfahrenstechnik und Bionik an der TFH Berlin. 1993 gründete er bei Berlin die Dr. Mirtsch GmbH, die sich mit der Entwicklung und Fertigung wölbstrukturierter Materialien inzwischen weltweit einen Namen gemacht hat.

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