Winziges Strahlentierchen als Vorbild für riesige Offshore-Windkraftanlagen

(a) Gründungsstruktur einer Windkraftanlage im Meer, WeserWind;

Best Practices // 31. Juli 2014

Winziges Strahlentierchen als Vorbild für riesige Offshore-Windkraftanlagen

Bionik-Innovation
In der Zukunft sollen bis zu 15 Prozent des Energiebedarfs in Deutschland durch Offshore-Windparks abgedeckt werden. Die in einer Studie des Bundesumweltministeriums genannte Zahl bedeutet, dass bis Ende 2030 bis zu 5.000 Windkraftanlagen und damit auch die dafür nötigen Gründungsstrukturen installiert werden müssen. Zur Optimierung der riesigen, in den Meeresboden verankerten Elemente bedienten sich Forscher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung AWI in der Helmholtz-Gemeinschaft in Bremerhaven sowie Ingenieure der WeserWind GmbH eines Vorbilds aus der Natur. Nur etwa 100 Mikrometer groß ist das zum Plankton gehörende Strahlentierchen, nach dessen Vorbild sich das Gewicht der Stahlkonstruktionen der Windkraftwerke um etwa 37 Prozent reduzieren lässt.

Technische Anwendung
Die Fundamente der Offshore-Windkraftanlagen sind 30 bis 40 Meter hohe dreibeinige Tripods, die im Meeresboden verankert werden. Sie wiegen 800 Tonnen. Vergleiche mit Plankton-Skeletten führten nun zu einer technischen Konstruktion, die über ein Drittel des Gewichts spart. So können die Gesamtkosten für Bau, Transport und Aufbau wesentlich gesenkt werden. Probleme wie Wind, Seegang oder Schiffshavarien wurden berücksichtigt, die Struktur ist reparabel. Das für die Entwicklung der Gründungsstrukturen genutzte „Evolutionary Light Structure Engineering“-Verfahren (ELiSE) soll den strukturellen Leichtbau auch in anderen Anwendungsbereichen der Industrie in ein neues Zeitalter führen.

Bionisches Funktionsprinzip
Die Forscher des AWI verfügen über einen Fundus von über 100.000 Präparaten von Kieselalgen und Radiolarien. Diese Organismen sind zwischen 2 und 1.000 Mikrometer groß. Sie haben in der Evolution sehr stabile und dennoch leichte Schalenstrukturen entwickelt, um in den oberen Meeresschichten verbleiben und sich gleichzeitig gegen die dort lebenden, natürlichen Feinde schützen zu können. Für die Offshore-Gründungsstruktur untersuchten die Wissenschaftler Hunderte Strahlentierchen und analysierten, welche der geometrischen Formen die Last von Windkraftanlagen tragen könnten. Im zweiten Schritt wurde eine Form ausgewählt, im dritten erfolgte das Abstrahieren für die technische Umsetzung, im vierten Schritt deren Optimierung und zuletzt die fertigungstechnische Aufbereitung.

Vorbild aus der Natur
Strahlentierchen oder Radiolarien gehören zur Gruppe der einzelligen Lebewesen und verfügen über ein Skelett aus Siliciumdioxid. Sie sind winzig klein und sind seit über 500 Millionen Jahren auf der Erde vertreten. Radiolarien leben im Meer und gehören zum Plankton. Es gibt sie in den unterschiedlichsten, teils phantastischen Formen, die auch Kugeln oder Schneekristallen ähneln können.

>> Zahlen <<

100 Mikrometer: Größe des Strahlentierchens, das als Vorbild für die Gründungsstruktur einer Offshore-Windkraftanlage Pate stand.

40 Meter beträgt die Höhe der Gründungsstruktur von Windkraftanlagen im Meer.

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