Wenn sich Werkstoffe selbst heilen

Diese Elastomere reparieren sich nach Zerschneiden und kurzem Zusammendrücken selbst.

Best Practices // 1. August 2014

Wenn sich Werkstoffe selbst heilen

Bionik-Innovation
Autos oder Flugzeuge, die sich quasi selbst reparieren, ein angeknackstes Handy-Display, das sich selbst heilen kann – diese Träume der Verbraucher könnten sich in absehbarer Zeit schon erfüllen. Ein gemeinsames Bionik-Forschungsvorhaben der Plant Biomechanics Group Freiburg mit dem Fraunhofer-Institut UMSICHT und dem Freiburger Materialforschungszentrum ebnete den Weg für die ersten Schritt dorthin. Darin wurden nach dem Vorbild von Selbstheilungsprozessen bei Pflanzen selbstreparierende Elastomere entwickelt, aus denen die Firma Gummi- und Kunststofftechnik Fürstenwalde GmbH langlebige Auspuffaufhängungen als Prototypen herstellt. Dies können Mikrorisse „ausheilen“, die sonst zum Materialbruch führen würden.

Technische Anwendung
Neben den Auspuffaufhängungen sind zahlreiche andere technische Anwendungen in der Entwicklungsphase – im ersten Schritt vor allem bei Komponenten, die aus Elastomeren bestehen und dauernden mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind. Beispiele dafür sind Faltenbälger und Schwingungsdämpfer. Besonders interessant sind auch selbstheilende Dichtungsringe – so könnten nicht nur Instandhaltungskosten verringert sondern auch schädliche Emissionen oder Leckageverluste verhindert werden. Das würde die Sicherheit von Anlagen und Rohrsystemen entscheidend erhöhen. Ein mindestens genauso großes Potenzial haben selbstheilende Lacke bei Autos oder Flugzeugen oder sich „selbst reparierende“ Handy-Displays.

Bionisches Funktionsprinzip
Vorbild für diese selbstreparierenden Gummiwerkstoffe sind Selbstheilungsprozesse bei milchsaftführenden Pflanzen wie zum Beispiel der Birkenfeige. Die Plant Biomechanics Group Freiburg analysierte die Prozesse der biologischen Selbstheilung eingehend, anschließend werden sie bei den materialwissenschaftlichen Partnern wie beim Materialforschungszentrum von Fraunhofer in technische Lösungen überführt. „Die innovativen Materialien sind in der Lage, Mikrorisse auszuheilen und erreichen nach einem makroskopischen Schnitt und anschließender Reparatur nahezu ihre ursprünglichen mechanischen Kennwerte“, fasst Max von Tapavicza vom Fraunhofer-Institut Erkenntnisse der Forschungen zusammen. Bislang konnten die technischen Elastomere EPDM (Ethylene-Propylene-Dien-Kautschuk Typ M) und NBR (Nitril-Butadien-Kautschuk) sowie ein thermoplastisches Elastomer (TPE) mit einer Selbstheilungsfunktion ausgestattet werden. Darin spielen nach dem Vorbild der Natur auch Ionen eine Rolle.

Vorbild aus der Natur
Die Birkenfeige ist auch als „Ficus Benjamini“ bekannt und gehört zu den Maulbeergewächsen. Sie ist in Asien und Australien und beheimatet und hat von dort aus ihren Siegeszug als Zimmerpflanze angetreten. Sie verfügen über eine erstaunliche Eigenschaft: Wird die Pflanze verletzt, sorgen ein Protein und ebenfalls im Milchsaft enthaltene Latexpartikel für einen perfekten Wundverschluss.

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