Best Practices // 1. August 2014
Von den Ratten abgeschaut: Selbstschärfende Messer in Industriemaschinen
Bionik-Innovation
Stumpfe Messer, Klingen und andere Schneidwerkzeuge sind in der Industrie ein allgegenwärtiges Problem. Vor allem die Betreiber von Schneidemühlen und Recycling- sowie Kunststoff-Fabriken müssen ihre Maschinen regelmäßig stoppen, um die sich schnell abnutzenden Messer auszubauen, zu schleifen und wieder einzusetzen. Der Stillstand kostet auf Dauer viel Geld. Forscher vom Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen fanden eine Lösung für das Problem in der Natur. Die Zähne von Nagetieren wie Ratten bleiben ein ganzes Leben lang scharf – obwohl sie selbst härteste Materialien wie Metall durchdringen. Nach diesem Vorbild wurde ein neues, selbstschärfendes Bionik-Messer entwickelt.
Technische Anwendung
Die Verwendung selbstschärfender bionischer Messer bringt der Industrie zahlreiche Vorteile. Neben der Produktivitätssteigerung durch geringere Wartungszeiten wird die Schneidequalität erhöht. Zugleich steigt durch den verminderten Abrieb die Haltedauer der Produkte – damit wird weniger Stahl verbraucht. Die dauerhaft scharfen Messer sorgen zudem dafür, dass für den Schneidevorgang weniger Energie aufgewendet werden muss – das schont die Umwelt. Neben der industriellen Anwendung in Schneidemühlen, Kunststoff- oder Recycling-Fabriken ist die Entwicklung zum Beispiel auch für Köche oder im Haushalt interessant.
Bionisches Funktionsprinzip
Die Schneidezähne von Ratten bestehen innen aus weichem Dentin und außen aus hartem Zahnschmelz. Das Prinzip der Selbstschärfung entsteht durch den unterschiedlich starken Abrieb der beiden Materialien wegen ihrer unterschiedlichen Härte. Das weiche Dentin wird beim Nagen ständig abgerieben. Der Zahnschmelz ist jedoch härter und bildet deshalb stets eine scharfe Schnittkante. Das natürliche Prinzip wurde von den Wissenschaftlern transferiert. Im Bionik-Messer befindet sich innen eine Hartmetallmischung – wie das Dentin beim Nager. Darüber wurde eine dünne Schicht aus extrem harter und widerstandsfähiger Keramik gezogen – sozusagen der harte Zahnschmelz. Um die Belastungen beim Schneiden besser zu verteilen, ist die Außenkante der Klinge zudem leicht gewölbt.
Vorbild aus der Natur
Ratten sind Nagetiere, die weltweit in 65 Arten vorkommen. Sie sind von den Menschen als Krankheitsüberträger gefürchtet, besitzen aber viele bemerkenswerte Eigenschaften. Sie vermehren sich extrem schnell und können sich an verschiedenste Lebensumstände anpassen. Ein Schlüssel dafür sind ihre Zähne. Diese wachsen jede Woche zwei bis drei Millimeter und können wegen ihres speziellen Aufbaus selbst härteste Materialien wie Holz, Metall oder Beton durchnagen. Trotzdem bleiben die Zähne immer scharf.
>> IM PROFIL <<
Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen versteht sich als Vorreiter für technische Neuerungen in den Bereichen Energie, Prozesse und Produkte und will nachhaltiges Wirtschaften, umweltschonende Technologien und innovatives Verhalten voranbringen, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu fördern. Als eines von 66 Instituten und selbstständigen Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft ist UMSICHT weltweit vernetzt und fördert die internationale Zusammenarbeit.
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