Lotus-Effekt lässt Metallprodukte länger leben

Best Practices // 31. Juli 2014

Lotus-Effekt lässt Metallprodukte länger leben

Bionik-Innovation
Hier haften nicht einmal Honig oder Schneckenschleim: Antiadhäsive Beschichtungen mit dem einst von Professor Wilhelm Barthlott für die Technik nutzbar gemachten Lotus-Effekt erhöhen die Lebensdauer von Metalloberflächen. Durch die Entschlüsselung der Nano- und Mikrostruktur pflanzlicher und tierischer Vorbilder eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten für die Industrie. Die innovativen Produkte weisen minimierte Kontaktflächen zu anderen Materialien auf und sind zudem mit wasserabweisenden Stoffen wie Fluorpolymeren oder Silikon bestückt.

Technische Anwendung
Ein Forscherteam des Instituts für Botanik der TU Dresden entschlüsselt in Verbindung mit weiteren Projektpartnern die Nano- und Mikrostrukturen pflanzlicher Vorbilder mit antiadhäsiven Oberflächen wie der Lotusblume. So werden dauerhaftere Beschichtungen mit antiadhäsiven und hydrophoben Eigenschaften zur Verlängerung der Lebensdauer von Materialien wie Edelstahl oder Aluminium entwickelt. Die technischen Anwendungen in der Industrie sind extrem vielfältig: Sie reichen von Korrosionsschutzschichten, über Antihaftbeschichtungen von Farbwannen oder Druckereiwalzen bis hin besser zu reinigenden Beschichtungen. Bei energieeffizienten Prozessen können antistatische Eigenschaften der neuen Materialien von großem Nutzen sein.

Bionisches Funktionsprinzip
Natürliche Oberflächen erreichen durch ihre vielfältige Mikrostrukturierung in der Längenskala zwischen 10 nm und etwa 100 µm in vielfachen Kombinationen eine herausragende Erhöhung der Antihaft-Eigenschaften. Diese Strukturen werden technisch bei teuren Werkstoffen wie Edelmetallen oder Aluminium nachgebaut. Eine Mikrostrukturierung dieser Materialien durch Sandstrahlen oder Flammspritzen mit anschließender Nanostrukturierung durch elektrochemische Behandlung sorgen für eine spezielle Oberflächenstruktur, an der nicht einmal hochviskose Flüssigkeiten haften. Als Beschichtung dienen Fluorpolymere oder ähnliche Materialien mit niedriger Oberflächenenergie und ausreichender chemischer sowie mechanischer Stabilität wie zum Beispiel Silikon.

Vorbild aus der Natur
Die Lotusblume verfügt über außergewöhnliche, antiadhäsive Eigenschaften. Erreicht werden diese durch eine Verbindung aus einer Nanostruktur und speziellem Wachs auf der Pflanzenoberfläche. So wird die Kontaktfläche zwischen Wasser und Oberfläche drastisch reduziert. Ein Wassertropfen hat auf der Lotusblume nur eine Auflagefläche von 0,6 Prozent – das ist ein Rekord im Reich der Natur. Das Wasser perlt ab und nimmt dabei noch den Schmutz und andere Stoffe mit. Die biologische Bedeutung des Lotuseffekts liegt im Schutz vor einer Besiedlung durch Mikroorganismen, Krankheitserreger oder Keime oder vor Bewuchs mit Algen. Ähnliche Systeme gibt es auch bei anderen Pflanzen und Tieren.

>> Info <<

Sauber!
Wegen ihrer Fähigkeit Schmutz abzuweisen gilt die Lotusblume in weiten Kreisen Asiens als Symbol der Reinheit, Treue, Schöpferkraft und Erleuchtung und wird als Symbol sowohl im Buddhismus wie Hinduismus aufgegriffen.

>> BIOKON-PROFIL <<

Prof. Dr. Wilhelm Barthlott ist einer der Pioniere der biologischen und technischen Grenzflächenforschung. Er studierte Biologie, Chemie und Physik an der Universität Heidelberg. Nach seiner Habilitation bekam er einen Ruf an die Freie Universität Berlin, die er nach drei Jahren wieder verließ, um von 1985 bis 2002 als Professor und Direktor am Botanischen Institut und des Botanischen Gartens der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn tätig zu sein. 2003 gründete er das Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Nach seiner Emeritierung leitet er weiter die Forschungsstelle „Biodiversität im Wandel“, ein Langzeitvorhaben der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz und des Landes Nordrhein-Westfalen.

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