Kleben neu erfunden – das Gecko-Tape®

An 20 x 20 Zentimetern Hightech-Folie hängt Wissenschaftsjournalist Dr. Mark Miodownik, während er für den englischen Fernsehsender BBC die Kieler Bionik-Forschung am eigenen Leib testet.

Best Practices // 31. Juli 2014

Kleben neu erfunden – das Gecko-Tape®

Bionik-Innovation
Sie haftet auf glatten, unebenen, rutschigen, feuchten Oberflächen, sogar auf Menschenhaut: Klebefolie nach dem Gecko-Prinzip setzt mit einzigartigen Eigenschaften neue Maßstäbe. Da die Haftkraft ausschließlich auf Mikrostrukturen und elektrischen Ladungen beruht, kann das Klebematerial spurlos entfernt und wiederverwendet werden. Dadurch eröffnen sich auch in Bezug auf Materialeinsparung und Umwelt- und Ressourcenschonung ganz neue Horizonte.

Technische Anwendung
Ein Forscherteam der Christian-Albrechts-Universität Kiel entwickelte die Hightech-Folie in Zusammenarbeit mit der auf Befestigungstechniken spezialisierten Firma Gottlieb Binder nach dem Vorbild der Haftmechanismen von Gecko- und Käferfüßen. „Es funktioniert auf allen ebenen und glatten Oberflächen wie Glas, lackiertem Metall, Marmor, Keramik und Kunststoff. Die Zahl der Einsatzmöglichkeiten ist riesig“, sagt Projektchef Professor Dr. Stanislav Gorb von der Universität Kiel. Neben Haushalt und Industrie − vom Greifer von CD-Spielern bis zur Halterung von Linsen in Fotoapparaten − stehen dabei auch besonders medizinische Anwendungen auf der Einsatzagenda. Schließlich haftet das Material selbst auf Menschenhaut. Kletterroboter oder die Verwendung im Weltraum müssen keine Science Fiction sein – das Gecko-Tape® haftet auch im Vakuum.

Bionisches Funktionsprinzip
Milliarden von Nanohärchen am Gecko-Fuß sind das Geheimnis der außergewöhnlichen Haftkraft. Wie stark diese ist, beweist ein Vergleich: Eine mit den Nanohärchen bestückte Briefmarke könnte einen Ziegelstein halten. Physikalisch beruht die Haftwirkung auf der zwischenmolekularen van der Waals-Kraft – die elektrostatische Interaktion bewirkt eine intermolekulare Anziehung ähnlich der eines Magneten. Dazu kommt noch die Kapillarkraft. Das Kieler Forschungsteam kam der Funktionsweise durch mikroskopische Untersuchungen und weitere Versuche auf die Spur. Und entwickelte nach dem Gecko-Vorbild eine Silikon-Folie, die in der Wissenschaft genauso wie in der Industrie für Aufsehen sorgt.

Vorbild aus der Natur
Geckos gehören zur Familie der Schuppenkriechtiere. Sie bevölkern wegen ihrer hervorragenden Anpassungsfähigkeit seit etwa 50 Millionen Jahren die Erde und haben verschiedenste Lebensräume erobert. Die beeindruckendste Fähigkeit einiger Gecko-Arten: Trotz eines Gewichts von 50 bis 100 Gramm können sie problemlos glatte Wände hochlaufen und selbst an der Decke „kleben“. Damit haben sie klare Vorteile gegenüber Nahrungskonkurrenten – sowohl was die Nahrungssuche wie auch die Fluchtmöglichkeiten betrifft.

>> Zahlen <<

29.000: Zahl der mikroskopisch kleinen Elemente pro cm² auf Gecko-Tape®
0,34 Millimeter – Dicke der Gecko-Tape® Silikonfolie

>> BIOKON-Profil <<

Prof. Dr. Stanislav Gorb wurde in der Ukraine geboren und machte in Westeuropa Karriere. Im Zentrum seines wissenschaftlichen Interesses standen schon immer Insekten und die Bionik. 1995 erhielt er mit seiner Projektidee, die Funktionsweise eines Käfer-Flügelgelenks zu untersuchen, ein zweijähriges Stipendium der Max-Planck-Gesellschaft. „Heute ist Bionik in aller Munde. Aber damals hat dieses Thema fast niemanden interessiert“, sagt der Wissenschaftler, der inzwischen Professor für Zoologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel ist, im Rückblick. Während seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat er bereits zu einigen bemerkenswerten bionischen Produkten wie dem Gecko-Tape® beigetragen. Weitere Ideen liegen in der Schublade oder sind schon auf den Weg gebracht.

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