Die Paradiesvogelblume als Pate

Blüte der Paradiesvogelblume (Strelitzia reginae) mit Bestäuber auf der violetten Sitzstange.

Presse // 6. Mai 2013

Die Paradiesvogelblume als Pate

Die südafrikanische Paradiesvogelblume hat Pate für den Bau einer innovativen Fassadenverschattung gestanden. Das ist eine von Professor Thomas Speck vom Botanischen Garten der Universität Freiburg und Professor Jan Knippers vom Institut für Tragkonstruktion und Konstruktives Entwerfen der Universität Stuttgart initiierte Entwicklung nach dem Vorbild der Natur.

Für die „Bionische Fassadenverschattung nach dem Vorbild der Strelitzie“ – ein anderer Name für die Paradiesvogelblume – wurden die Forscher gemeinsam mit ihren Mitarbeitern, Industriepartnern und Dr. Markus Milwich vom ITV Denkendorf mit dem „Techtextil Innovationpreis – Architektur“ ausgezeichnet. Die Doktoranden/innen, die das Projekt bearbeiteten, erhielten für ihre Arbeiten im Oktober 2012 den „International Bionic-Award der Schauenburg-Stiftung“, den am höchsten dotierten Preis für Nachwuchsforscher/innen aus dem Bereich der Bionik.  

Die bionische Fassadenverschattung Flectofin® ist eine naturinspirierte, wandelbare Konstruktion für die Architektur: Sie funktioniert wie eine vertikale Jalousie. Bei dem stufenlos einstellbaren Klappmechanismus lässt sich die Ausrichtung der Lamellen nach Bedarf verändern. Auf verschleißanfällige und wartungsintensive Gelenke und Scharniere haben die Bionik-Projektentwickler dabei verzichtet.

Stattdessen basiert die elastische Verformung auf dem Klappmechanismus in der Blüte der Strelitzie. Die Blume wird von Vögeln bestäubt, die sich auf einer eigens von der Pflanze gebildeten „Sitzstange“ aus verwachsenen Blütenblättern niederlassen. Durch das Gewicht des Vogels klappen die Blütenblätter auf und die Pflanze gibt Pollen ab, die der Vogel auf die nächste Blüte überträgt.

Das Projekt ist ein Beispiel für Bionik. Diese Querschnittswissenschaft vereint Biologie und Technik. Im Mittelpunkt steht das Lernen von der Natur, deren Funktionsprinzipien in Milliarden Jahren evolutionärer Entwicklung optimiert wurden und Ideengeber für nachhaltige und innovative Anwendungen sind.

Hier ist die Grundlage für den Klappmechanismus nach dem Vorbild der Paradiesvogelblume ein glasfaserverstärkter Kunststoff, der hochelastische Eigenschaften hat und gut verformt werden kann. Das Auf- und Zuklappen der Lamellen ist an das Biegen eines in die Lamelle integrierten Stabes gekoppelt, wodurch sie um bis zu 90° umklappen.  

Dieses Grundprinzip lässt sich zu verschiedenen Versionen weiterentwickeln. Da der Klappmechanismus ohne technische Gelenke oder Scharniere funktioniert und sich die Flectofin®-Systeme auch auf aufwändig zu beschattende, gekrümmte Fassaden anbringen lassen, erhoffen sich die Forscher einen wichtigen Impuls für das moderne Bauwesen.

In einem weiteren Projekt ist es den Forschern aus Freiburg mit Kollegen aus Dresden und Denkendorf im Labor- und Technikumsmaßstab gelungen, die Vorzüge von Drachenbäumen und Kakteen auf verzweigte technische Leichtbau-Faserstrukturen zu übertragen. Als Anwendung sind hochbelastete Knotenpunkte in der Technik, zum Beispiel Achsträger im Automobilbau, denkbar. Dabei werden die Vorzüge der Drachenbäume und Kakteen wie gutartiges Bruchverhalten und gute Schwingungsdämpfung in die Technik transportiert.

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