Die Bauweise der Zukunft: Textile Solarthermie im Eisbärhaus

Südansicht des Muster-Eisbärhauses in Denkendorf bei Stuttgart.

Best Practices // 31. Juli 2014

Die Bauweise der Zukunft: Textile Solarthermie im Eisbärhaus

Bionik-Innovation
Energieautarke Gebäude unter Benutzung des textilbionischen „Eisbärfell-Effekts“ könnten die Bauweise in der Zukunft revolutionieren. Im Sommer kühlen, im Winter wärmen und das alles nur mit Sonnenenergie – das soll in dem futuristischen Hightech-Bau mit der textilen Gebäudehülle möglich sein. Sechs Forschungspartner unter Federführung des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik (ITV) haben mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Landes Baden-Württemberg ein Muster-Eisbärhaus in Denkendorf bei Stuttgart gebaut. Es besitzt neuartige textile Solarkollektoren aus mehreren Membranschichten, die eine hohe Wärmeisolation aufweisen. Gespeichert wird die Energie dann bis zum Winter in Langzeit-Speichern aus Silikagel.

Technische Anwendung
Das Interesse der Wirtschaft am Muster-Eisbärhaus ist riesig. „Viele Architekten und Baufachleute haben den Wunsch geäußert, nach diesem Prinzip bauen zu wollen“, kommentierte ITV-Forscher Jamal Sasour bereits wenige Monate nach der Inbetriebnahme. Es gibt bereits Folgeprojekte, um vorhandene Energie ins Haus zu holen. Textilen Materialien gehört im Bauwesen nicht nur wegen neuer energieeffizienter Lösungen die Zukunft: Mit Hilfe von Textilbeton sind organischen Strukturen nachempfundene Fassaden möglich, die extreme Festigkeit und nahezu grenzenlose Formgebung vereinen. Sie sind korrosionsbeständig und hochfest, dabei aber deutlich leichter und schlanker. So werden neben Energie auch Rohstoffe gespart.

Bionisches Funktionsprinzip
Eisbären besitzen ein dichtes, weißes Fell, eine schwarze Epidermis und eine Fettschicht zur Wärmedämmung – mit dieser Kombination haben sie ihren Energiehaushalt perfektioniert und sind unter extremsten Witterungsbedingungen lebensfähig. Im Eisbärhaus ist dieses Prinzip technisch umgesetzt worden: Einfallendes Sonnenlicht trifft auf ein schwarz beschichtetes Textilgewebe und eine hoch poröse Membran mit Wärmetransportschicht, die zusammen für die Erwärmung der durchströmenden Luft sorgen. Warme Sommerluft gelangt so in ein Langzeit-Speichersystem mit Silikagel, in dem sie bis in die Winterzeit hinein „gelagert“ wird. Eine weitere Schicht in der Gebäudehülle sorgt für eine hohe Wärmedämmung nach außen – zuständig für das Fernhalten der Winterkälte.

Vorbild aus der Natur
Der Eisbär lebt in den Polarregionen der Erde und gilt mit einer Rumpflänge von 3,40 Metern und einer Schulterhöhe bis 1,60 Meter als das größte landlebende Raubtier der Erde. Er kann selbst tiefste Minustemperaturen aushalten und stundenlang im eiskalten Wasser schwimmen. Bei extremen Wetterverhältnissen lässt er sich einschneien und übersteht so selbst stärkste Winterstürme. Der Eisbär ist perfekt an die Lebensverhältnisse angepasst, allerdings droht sein Lebensraum durch die globale Erwärmung zu schwinden.

>> Zahlen <<

2000 Zyklen der Energieaufnahme  und -abgabe kann das Silikagel im Speicher mindestens bewältigen.
80 Grad Celsius beträgt die Mindesttemperatur, mit der die von der Sonne erwärmte Luft in den Speicher geblasen wird.

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