Besser fliegen: Flugzeugflügel vom Steinadler abgeschaut

Best Practices // 31. Juli 2014

Besser fliegen: Flugzeugflügel vom Steinadler abgeschaut

Bionik-Innovation
Tragflügel mit neuartigen Multiwinglets am Ende könnten die Luftfahrt in eine neue, treibstoffsparende Ära führen. Vorbild für die Entwicklung dieser an ihrem Ende mehrfach aufgebogenen Tragflächen waren unter anderem Steinadler, die beim Flug ihre Handschwingen aufspreizen. Dies bringt im Vergleich zum konventionellen Flügel eine um elf Prozent verbesserte Gleitzahl. Bei einem flächendeckenden Einsatz an Verkehrsflugzeugen könnten so weltweit Millionen Tonnen Treibstoff gespart werden – und damit neben dem Ressourcenschutz auch zur Umweltschonung und zum Erhalt der lebenswichtigen Ozonschicht beitragen.

Technische Anwendung
Ein Forscherteam vom Fachgebiet Bionik und Evolutionstechnik der TU Berlin um Professor Ingo Rechenberg beschäftigte sich mit dem Problem der Verminderung des sogenannten induzierten Strömungswiderstandes nach dem Vorbild der Natur. Dazu wurde in Windkanalexperimenten ein idealer Tragflügel mit Multiwinglets entwickelt. Er könnte in der Zukunft neue Maßstäbe in Bezug auf Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz und damit auch Nachhaltigkeit setzen. Die Anwendung ist bei allen Flugzeugen denkbar – an Segelflugzeugen wurden bereits erste Prototypen getestet. An Verkehrsflugzeugen werden schon heute einfache Winglets eingesetzt, durch mehrfach aufgebogenen Multiwinglets könnte der Spareffekt noch vergrößert werden.

Bionisches Funktionsprinzip
Landvögel wie der Steinadler spreizen im Gleitflug ihre Handschwingen auf. Durch diesen Trick entstehen kleinere Wirbel als sie bei einem durchgängigen Flügel entstehen würden. Damit reduziert sich der induzierte Strömungswiderstand, da dieser vom Quadrat des Wirbeldurchmessers abhängt. So nimmt der Luftwiderstand ab, der Vogel spart Energie. Technisch betrachtet sind die Handschwingen am Flügelende widerstandsgünstige Mehrdecker, die über Millionen von Jahren perfektioniert wurden. Die TU Berlin führte im Windkanal Experimente mit einem Tragflügel durch, bei dem sich die Winglets einzeln einstellen ließen. Über die der Natur nachempfundene „Evolutionsstrategie“, mit der über Computersimulationen Verbesserungen und Optimierungen rechnerisch nachvollzogen werden, wurde schließlich der perfekte Flügel mit Multiwinglets entwickelt.

Vorbild aus der Natur
Seevögel wie der Albatros können auch deshalb Tausende Kilometer fliegen, weil sie durch langgestreckte Flügel und schmale Flügelenden einen niedrigen induzierten Strömungswiderstand haben und damit Energie sparen. Der Steinadler, der an Felsen oder in Höhlungen nistet, kann keine langgestreckten Flügel haben. Er reduziert seinen Randwiderstand durch die aufgestellten Handschwingen. So kann er auf der Suche nach Beute lange in der Luft kreisen, ohne häufig mit den Flügeln zu schlagen und Energie verbrauchen zu müssen. Steinadler haben bei einer Flügelspannweite von etwa zwei Metern elf Handschwingen.

>> Historisches <<

Am 16. August 1894 hob Otto Lilienthal mit seinem „Flug-Zeug“ ab: Sein Schlagflügelapparat hatte bereits aufgespreizte Flügelenden. Bis zum Multiwinglet war es ein weiter Weg, doch ein erster Schritt in die bionische Richtung war unbeabsichtigt vom Flugpionier bereits gemacht.

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