Aktuelles // 12. Dezember 2024
Merkel Memoiren: Zwischen Bionik und Bundeskanzleramt
Nein. Die Geschichte muss nicht umgeschrieben werden. Diesbezüglich gibt es keine neuen Erkenntnisse. Aber ein Abzweig wäre durchaus möglich gewesen. In ihrem jüngst, mit Spannung erwarteten Buch: „Freiheit – Erinnerungen 1954 – 2021“ berichtet Angela Merkel von einer Wegscheide in ihrer Biografie zwischen Wissenschaft und Politik, zwischen Bionik und Bundeskanzleramt. Auf Seite 79 gewährt Deutschlands erste Bundeskanzlerin den Leserinnen und Lesern einen Einblick in ihre Vergangenheit in der Wissenschaft:
„Ulrich (ihr erster Ehemann, die Red.) wollte nach dem Studium gerne in Ilmenau (…) promovieren. Ich hielt das für eine gute Idee, mich interessierte diese Möglichkeit auch (…) weil es dort ein so interessantes Fach wie Bionik gab, in dem von den Erfindungen der Natur gelernt wurde.“ Nach näherer Betrachtung habe sie sich jedoch gegen die Bionik entschieden, „weil mein räumliches Sehen und meine Fähigkeiten, permanent in drei Dimensionen zu rechnen und praktisch zu arbeiten, nicht ausgeprägt genug waren“.
Als Wilhelm Barthlott, emeritierter Professor der Universität Bonn und einer der BIOKON-Mitbegründer, dies las, musste er schmunzeln. „Dass Angela Merkel durchaus in vielen Dimensionen rechnen und praktisch arbeiten konnte, hat sie im Laufe ihres politischen Lebens ja vielfach unter Beweis gestellt. Sie hätte sicher auch das Zeug zu einer ausgezeichneten Bionikerin gehabt.“ Das Interesse der Bundeskanzlerin an der Bionik sei später auch immer groß gewesen.
Als der Bioniker Barthlott seine Entdeckung des Lotuseffekts einmal bei einem Empfang des Bundespräsidenten im Park von Bellevue vorstellte, nutzte die Bundeskanzlerin die Gelegenheit, sich deutlich länger als geplant am BIOKON-Stand zu informieren. Dort demonstrierte Wilhelm Barthlott anhand einer eigens präparierten Krawatte sehr eindrücklich den Selbstreinigungseffekt nach dem Vorbild der Lotuspflanze. Lösungen, die auf Prinzipien der Natur basieren, erinnert sich Barthlott, hätten immer eine besondere Faszination auf die Wissenschaftlerin in der Bundeskanzlerin ausgeübt. „Das müssen wohl die Nachwirkungen des frühen Interesses gewesen sein“.