BIOKON – Das Bionik-Kompetenznetz

Best Practices

„I think the biggest innovations of the 21st century will be at the intersection of biology and technology. A new era is beginning.”
Steve Jobs, Apple Gründer

Die Innovationskraft der Bionik entspringt aus dem nahezu grenzenlosen Pool an biologischen Vorbildern für spezifische Antworten auf technische Fragestellungen. In beeindruckender Vielfalt schafft die Natur Inspirationen für technische Entwicklungen, die Marktrelevanz in den unterschiedlichsten Branchen haben.

Hier haben wir Erfolgsbeispiele der Bionik zusammengestellt, die wir nach dem Schema (1) Bionik-Innovation, (2) Technische Anwendung, (3) Bionisches Funktionsprinzip und (4) Vorbild aus der Natur aufbereitet haben – unterstützt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt im Rahmen der Förderung unseres Bionik-Unternehmensforums.

Willkommen bei den Innovationen an der Schnittstelle von Biologie und Technik.

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Best Practices // 1. August 2014

Antifouling: Künstliche Haihaut soll Millionen Tonnen Treibstoff sparen helfen

Bionik-Innovation
Algen, Seepocken und Muscheln gehören zu den größten Problemen der Seeschifffahrt. Sie bewachsen Schiffsrümpfe − dieses Phänomen wird Fouling genannt − und sorgen somit über einen höheren Strömungswiderstand für eine rasante Erhöhung des Treibstoffverbrauchs. Ausgerechnet der Hai – einer der gefährlichsten Räuber der Erde – hilft als Vorbild nun bei der Rettung der Natur. Ein von Bionikern entwickelter giftfreier Antifouling-Anstrich nach dem Vorbild der Haihaut kann Millionen Tonnen Treibstoff sparen helfen. Damit würde man für eine riesige Emissions- und damit Kostenersparnis sorgen  − und gleichzeitig die bisher als Antifouling-Anstrich eingesetzten umweltschädigenden TBT − und Kupferverbindungen unnötig machen.

Technische Anwendung
Bioniker der Hochschule Bremen unter Leitung von Professorin Antonia B. Kesel entschlüsselten den Bauplan der künstlichen Haihaut und entwickelten daraus einen Silikonanstrich. Er vermindert den unerwünschten Unterwasserbewuchs um bis zu 70 Prozent. Viele Sportbooteigner haben das neue Produkt bereits erfolgreich getestet, für den Einsatz in riesigen Frachtern wird das Produkt derzeit noch weiterentwickelt. Die „künstliche Haihaut“ kommt auch in anderen Bereichen zum Einsatz – hier vor allem wegen ihrer günstigen Strömungseigenschaften. Ein mit einer sogenannten Riblet-Folie ausgestattete Boot triumphierte 2010 beim berühmten America’s-Cup der Segler. Auch bei Flugzeugen brachte der Testeinsatz der „Haihaut“ eine signifikante Treibstoffersparnis. Auch an Lacken mit Nanopartikeln, die der Haihaut ähneln, wird geforscht.

Bionisches Funktionsprinzip
Die Haihaut ist rau und mit winzigen kleinen Zähnchen besetzt. Die spitzen Placoidschuppen der Haie verhindern die Anhaftung von Organismen. Sie sind beweglich gelagert und können sich gegen- und übereinander verschieben. So halten sich Haie Parasiten vom Leib. Zugleich haben Haie feine Rillen in den Schuppen, die nicht nur den Strömungswiderstand im Wasser vermindern sondern auch verhindern, dass sich Seepocken ankleben können. Aus dem Bauplan der Haihaut-Zähnchen wurde die künstliche Silikonhaut entwickelt.

Vorbild aus der Natur
Der Hai ist einer der gefürchtetsten Raubfische der Meere. Es gibt über 500 Arten, die teilweise extrem unterschiedlich sind. Die bis zu 14 Meter langen und 12 Tonnen schweren Walhaie ernähren sich beispielsweise nur von Plankton. Die Sinnesorgane sind hochentwickelt – die Augen sind zehnmal lichtempfindlicher als die der Menschen, Beute kann schon aus 75 Metern Entfernung gewittert werden. Der Makohai erreicht im Wasser Geschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometern – auch wegen ihrer durch die Evolution perfektionierten Haut.

>> Zahlen <<

70 Prozent beträgt die Verminderung des Unterbewasserbewuchses durch künstliche Haihaut.

>> BIOKON-PROFIL <<

Professorin Antonia B. Kesel ist Gründerin und Leiterin des Bionik-Innovations-Centrums (B-I-C) der Hochschule Bremen. Das B-I-C koordiniert die Forschung im Grundlagen- und Anwendungsbereich. Weiterhin stützt und moderiert das Institut den Technologietransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft, nicht zuletzt im Rahmen der nationalen und internationalen Vernetzung unterschiedlichster Akteure. Dem B-I-C ist es gelungen, in einem relativ kurzen Zeitraum, sich als feste Größe in der deutschen Bionik-Landschaft zu etablieren.
Antonia Kesel ist Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für Technische Biologie und Bionik GTBB und selbstverständlich ist sie Mitglied im Bionik-Kompetenznetz BIOKON, dessen Vorstand sie seit 2006 angehört, seit 2013 als Vorstandsvorsitzende.

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Best Practices // 1. August 2014

Bionik-Dübel nach Parasiten-Vorbild helfen am Bau

Bionik-Innovation
Wegen der energetischen Modernisierung werden heutzutage viele Wände aus weicheren Materialien konstruiert. Wärmedämmverbundsysteme und Gipskartonplatten sorgen allerdings dafür, dass Dübel zunehmend schwerer Halt finden. Eine Lösung für das Problem fanden die Bioniker Markus Hollermann und Felix Förster ausgerechnet bei Parasiten wie Zecken oder Zikaden, die sich mit ihren Mundwerkzeug in den Wirt bohren. „So wurde ein Dübel entwickelt, der sich in der Wärmedämmschicht fixieren kann – nach dem Vorbild der Natur“ erklärt Felix Förster. Das Forschungsergebnis im Rahmen ihrer Abschlussarbeit bescherte den beiden Studenten und Mitgliedern des Bionik-Kompetenznetzwerks BIOKON auch den „Internationalen Bionic-Award 2010“. Sie haben auch ihr eigenes Unternehmen. Name: Die Bioniker.

Technische Anwendung
Die Bionik-Dübel nach Parasiten-Vorbild entstanden in einem Projekt der Universität Bremen in Zusammenarbeit mit der fischer Unternehmensgruppe. Durch die Leichtbauweise der neuen Systeme wird der Montageaufwand geringer. Auf Baustellen reduziert sich mit dem Gewicht der Bauteile zugleich auch der Aufwand für Montagesicherungen und Gerüste. Die Leichtbaumaterialien machen das Leben für Monteure erheblich leichter – und die neuen Dübel halten im Gegensatz zu den traditionellen schlicht besser. Das ist nur ein Beispiel für innovative Befestigungs- und Fügelösungen für Leichtbausysteme, die durch die Natur inspiriert wurden.

Bionisches Funktionsprinzip
Als biologisches Vorbild für minimalinvasive Befestigungssysteme wurden parasitäre Organismen herangezogen. Die für ihr „Zirpen“ bekannten Zikaden zum Beispiel bohren sich mit ihren Mundwerkzeugen durch die Blattoberfläche hindurch, um Pflanzensäfte zu saugen. Dabei kommt es zu einer temporären Verankerung im Pflanzgewebe. Ähnlich sieht es bei Zecken aus, die sich mit einer ausgeklügelten Technik in ihren Wirt verbeißen. Die Verankerungsstrukturen standen dabei im Fokus der Untersuchungen. Anschließend wurden nach den gewonnenen Erkenntnissen innovative Leichtbaubefestigungssysteme entwickelt.

Vorbild aus der Natur
Zecken sind Parasiten, die sich vom Blut von Wirbeltieren wie dem Menschen ernähren. Es gibt weltweit etwa 90 Arten, die als Krankheitsüberträger gefürchtet sind. Das wesentliche Merkmal der Zecken sind die Mundwerkzeuge, mit der sich die Tiere in den Wirt verbeißen. Der Stechrüssel weist häufig Zähne auf, die als Widerhaken wirken – und jetzt zum Dübelvorbild geworden sind.

>> Info <<

Beißen oder stechen Zecken?
Zecken haben einen hochentwickelten Stechapparat, der für ihre Art der Nahrungsaufnahme hervorragend geeignet ist. Im Gegensatz z.B. zu Stechmücken, stechen Zecken keine Adern an. Mit ihren scherenartigen Mundwerkzeugen (Cheliceren) reißen sie die Haut des Wirtes auf und graben mit ihrem „Stachel“ (Hypostom) eine Grube in das Gewebe, die mit Blut vollläuft und während des Saugvorganges immer wieder leergesaugt wird. Deshalb spricht man von einem Zeckenstich. Dabei gibt die Zecke während des Verdauungsvorgangs überschüssige Flüssigkeit zurück in die Wunde. Dieser Vorgang wiederholt sich während der gesamten Saugdauer. Hierbei können Erreger übertragen werden, die sich im Darm der Zecke befinden. (z.B. Borrelien)
(Quelle: www.zecke.ch)

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Best Practices // 31. July 2014

Effizient und ressourcenschonend: die bionische Bauteiloptimierung

Bionik-Innovation
Ob Wabenstrukturen oder Verbundmaterialien – in der Natur ist der Leichtbau weit verbreitet. Über Jahrmillionen sind Tiere und Menschen durch die Evolution nach dem Prinzip höchstmögliche Stabilität bei möglichst geringem Gewicht perfektioniert worden. Die Bionik-Forschung hat daraus Prinzipien für die Optimierung von Bauteilen abgeleitet. Die Soft Kill Option (SKO) ist ein rechnergestütztes Optimierungsverfahren, bei der wenig belastete Bereiche eines Bauteils entfernt werden, um Gewicht zu sparen. Bei der Computer Aided Optimization (CAO) werden Spannungen in Bauteilen simuliert. Durch die Kombination von SKO und CAO entstehen optimal an Belastungen angepasste Bauteile – bei denen zugleich Material gespart und die Langlebigkeit erhöht wird.

Technische Anwendung
Die bionische Bauteiloptimierung bietet Chancen in unterschiedlichsten Bereichen. Erfolgreich angewendet wurde sie schon bei der Entwicklung orthopädischer Schrauben oder in Gießereien. Aber auch in der Architektur finden sich in Sachen Leichtbauweise zum bei Spiel beim „Vogelnest“-Olympiastadion 2008 von Peking Anleihen aus der Natur. Intelligente Brücken können in Zeiten hohen Verkehrsaufkommens steifer sein als in Zeiten mit weniger Betrieb. Ein besonders spektakuläres Beispiel für die bionische Bauteiloptimierung ist das „Bionic Car“ von Daimler. Es wurde nach dem Vorbild des tropischen Kofferfischs unter dem Motto möglichst hohes Platzangebot mit möglichst geringem Strömungswiderstand gebaut. So wurde am Ende ein Cw-Wert von 0,19 erreicht – bei herkömmlichen Fahrzeugen liegt der bei 0,30. Zum einen sank der Spritverbrauch dadurch um 20 Prozent, zum anderen wurde das Auto durch die SKO-Methode um 30 Prozent leichter als vergleichbare Autos gebaut.

Bionisches Funktionsprinzip
Knochen von Menschen und Tieren passen sich Belastungen optimal an. Bei wenig Belastung – zum Beispiel bei Astronauten im Weltall – wird zum Zweck des Energiesparens Knochengewebe abgebaut. Nach diesem Prinzip wurde das SKO-Verfahren entwickelt. Je leichter ein Bauteil oder Fahrzeug ist, umso weniger Energie verbraucht es. Für das CAO-Verfahren liefert das Baumwachstum das Vorbild aus der Natur. Um Ast- oder Stammbruch vorzubeugen, lagern Bäume beim Wachstum an potenziellen Bruchstellen zusätzliches Material an. So werden Spannungen ausgeglichen und eine höhere Stabilität erreicht.

Vorbild aus der Natur
Bäume wachsen dem Licht entgegen – oftmals schief und krumm. Um dennoch Wind und Wetter zu trotzen, passt sich die Wuchsform den äußeren Gegebenheiten an. Weht zum Beispiel der Wind häufig aus einer Richtung, wächst der Baum in Windrichtung schief. Zudem ist der Stamm unten breit und verjüngt sich nach oben. Somit kann er ähnlich wie ein Grashalm einem gewissen Winddruck widerstehen. Auch Knochen sind nach dem Leichtbau-Prinzip höchstmöglicher Stabilität bei möglichst geringem Gewicht optimiert – und passen sich in der Lebenszeit bis zu einem gewissen Punkt dynamisch den Herausforderungen an.

>> Zahlen <<

2,8 Liter: durchschnittlicher Spritverbrauch des Bionic Cars bei konstant 90 km/h.

100 kg weniger Gewicht bei einem Fahrzeug senken den Benzinverbrauch je nach Einsatzgebiet um 0,3 bis 0,5 Liter/100 km. Das entspricht 8-11 g weniger CO2-Ausstoß pro Kilometer.

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Best Practices // 31. July 2014

Wölbstruktur: Sparsam und schön anzuschauen

Bionik-Innovation
In der Natur gibt es vielfältige Wölbstrukturen mit wabenähnlichen Mustern – ob nun bei Schildkrötenpanzern oder der Schlangenhaut. Diese haben zahlreiche gute Eigenschaften: Sie sind vergleichsweise leicht und dennoch formstabil, nehmen vergleichsweise viel Stoßenergie auf ohne zu brechen und sind dazu oft wetterfest wie optisch gut anzuschauen. Aus diesem Vorbild entwickelten Forscher und Firmen wie die Dr. Mirtsch GmbH hexagonale Wölbstrukturen, die zum Beispiel auf Folien oder Metallbleche aufgebracht werden. Die Materialien mit wabenähnlichen Mustern sind nicht nur vergleichsweise steifer, sondern auch thermostabiler, widerstandsfähiger, strömungsgünstiger und blendärmer. In vielen Fällen kann damit eine Material- oder Gewichtsersparnis von bis zu 30 Prozent gegenüber vergleichbaren Produkten realisiert werden. „Was die Evolution geleistet hat, ist einfach fantastisch. Da können wir noch viel lernen“, sagt Firmenchef Professor Frank Mirtsch.

Technische Anwendung
Eines der Vorzeigebeispiele für die Wölbstrukturierungstechnik ist die liebevoll als „blaue Schildkröte“ bezeichnete Sporthalle in Odessa. Das wölbstrukturierte Aluminiumblech bringt etwa 30 Prozent Gewichtseinsparung gegenüber der konventionell glatten Konstruktion. Früher gefürchtete Hagelschäden sind wegen der hohen Steifigkeit und der diffusen Lichtbrechung kaum sichtbar. Ein anderes Beispiel: Die Firma Miele hat eine Schontrommel mit Wabenstruktur patentiert. Sie sieht in der „weltweit ersten bionischen Waschmaschinentrommel“ eine „sanfte Revolution“, die einen wäscheschonenden „Quantensprung“ bringe. Im Automobilbau wird das Material im Mercedes SLK – wo eine wölbstrukturierte Rückwandplatine Material spart, geräuschmindernd wirkt und einen geringen Bauraum beansprucht sowie bei einem Leichtbau-Katalysator eingesetzt. Auch bei der blendarmen Leuchte Hexal der Firma Siteco zeigen sich die Vorzüge der Wölbstrukturen.

Bionisches Funktionsprinzip
Wölbstrukturen in der Natur vereinen viele praktische Eigenschaften. Bei Experimenten wurde festgestellt, dass sich dieser kontrollierte Selbstorganisationsprozess technisch nachempfinden lässt. In der Produktion von wölbstrukturierten Werkstoffen wird sanfter Druck auf ein gekrümmtes, dünnes Material ausgeübt, das gleichzeitig abgestützt wird. Dabei weicht das Material intelligent und energieminimiert in eine 3D-Struktur aus, die allseitig formsteifer als das Ausgangsmaterial ist und gleichzeitig die Oberflächengüte vollständig erhält. Mit dem ausgeklügelten Verfahren kann die Wölbstruktur auf Bleche, Folien oder andere Materialien aufgebracht werden.

Vorbild aus der Natur
Schildkröten gibt es auf der Erde in über 300 Arten und schon mehr als 220 Millionen Jahre. Das zeigt, wie perfekt sie an das Leben angepasst sind. Das große Erfolgsgeheimnis ist dabei ihr wölbstrukturierter Panzer, unter den sich die Schildkröten bei Gefahr zurückziehen können. Er kann bei Riesenschildkröten ein Gewicht von mehreren Hundert Kilo aushalten. Gut gepanzert können Schildkröten über 100 Jahre alt werden.

>> Zahlen <<

30 Prozent beträgt die mögliche Gewichtsersparnis durch Leichtbau-Produkte mit der Wölbstrukturierungstechnik.

>> BIOKON-PROFIL <<

Prof. Dr. Frank Mirtsch studierte Verfahrenstechnik an der TH Hannover und der Universität Hamburg. Von 1988 bis 2009 wirkte er als Professor für Thermodynamik, thermische Verfahrenstechnik und Bionik an der TFH Berlin. 1993 gründete er bei Berlin die Dr. Mirtsch GmbH, die sich mit der Entwicklung und Fertigung wölbstrukturierter Materialien inzwischen weltweit einen Namen gemacht hat.

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Best Practices // 31. July 2014

Produkte mit dem Fin Ray Effect® beeindrucken selbst den Bundespräsidenten

Bionik-Innovation
Bundespräsident Joachim Gauck war beeindruckt. Während der „Woche der Umwelt“ 2012 hatten es ihm bei einer Präsentation die Möglichkeiten von Produkten mit dem Fin Ray Effect® angetan. Sie basieren auf dem Prinzip der Flossen von Knochenfischen, die sich entgegen der Erwartung der Druckkraft entgegenbiegen. Das natürliche Funktionsprinzip wurde von der EvoLogics GmbH entschlüsselt – und nach diesem Vorbild anschließend eine technische Konstruktion für diverse Produkte entwickelt. All diese eint eine verbesserte Funktionsweise sowie eine Materialersparnis gegenüber herkömmlichen Produkten.

Technische Anwendung
Es gibt vielfältigste Produkte mit dem Fin Ray Effect®. Der adaptive Greifer DHDG der Festo AG zum Beispiel passt sich der Struktur des Werkstücks perfekt an und kann sich zum Beispiel in Sortier- und Umsetzanlagen von empfindlichen Produkten, wie Schokoladeneier, Eier, Blumenzwiebeln oder Früchte, bewähren. Auch im Maschinenbau oder bei Hilfs- und Unterstützungsarbeiten im Gesundheitswesen kann der bionische Greifer eingesetzt werden. Der bionische Auswringer PowerPress® der Vileda GmbH hilft dagegen der Hausfrau und dem Hausmann: Er sorgt dafür, dass bei gleichem Kraftaufwand eine bis zu 30 Prozent höhere Auswringleistung beim Wischmop erreicht wird. Weitere futuristische Produkte mit dem Fischflossen-Effekt sind der Airacuda (ein ferngesteuerter, pneumatisch angetriebener künstlicher Fisch) Air_ray, der fliegende Rochen oder AquaJelly und AirJelly (künstliche, selbststeuernde Systeme nach dem Vorbild der Quallen). Die Einsatzgebiete für Produkte mit dem Fin Ray Effect® sind nahezu unbegrenzt.

Bionisches Funktionsprinzip
Fischflossen verhalten sich unter seitlicher Druckeinwirkung unerwartet. Drückt man mit dem Finger leicht gegen die Schwanzflosse einer Forelle, so knickt diese nicht in Druckrichtung weg, sondern die Flosse bewegt sich entgegen der Druckrichtung zum Finger hin. Diesen Effekt bezeichnet man als Fin Ray Effect®. Entdeckt wurde er vom Berliner Bioniker Leif Kniese im Jahr 1997 im Angelurlaub. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rudolf Bannasch entschlüsselte er die Wirkungsweise im Labor. Der Flossenstrahl-Effekt beruht auf der Struktur der einzelnen Flossenstrahlen und wird in der Technik inzwischen vielfältig verwendet. Die technische Konstruktion ist ein Dreieck aus biegeelastischen Längs- und Querstreben, die elastisch miteinander verbunden sind. Sie wurde von der EvoLogics GmbH patentiert.

Vorbild aus der Natur
Die Schwanzflossen der Knochenfische wurden im Lauf der Evolution auf seitliche Druckeinwirkung optimiert. Durch den Aufbau der Flossenstrahlen aus zwei Längsstrahlen und dazwischenliegendem Bindegewebe kann die Flosse eine kellenförmige Gestalt annehmen. In dieser „Kelle“ kann ein Wasservolumen eingeschlossen und nach hinten beschleunigt werden. Dadurch bewegt sich der Fisch hocheffizient nach vorne.

>> Zahlen <<

30 Prozent beträgt die Erhöhung der Auswringleistung beim bionischen Auswringer mit Fin Ray Effect®

>> BIOKON-PROFIL <<

Dr. Rudolf Bannasch, Polarbiologe und Bioniker, beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit genialen Erfindungen der Natur. Eines sehr Spezialgebiete, die strömungsgünstige Körperform von Pinguinen, zählt mittlerweile zu den Klassikern der Bionik. Sie war für ihn Vorbild für den Bau von Unterwasserfahrzeugen. In seiner eigens gegründeten Firma EvoLogics GmbH arbeitet Bannasch an der Realisierung von weiteren bionisch inspirierten technischen Anwendungen wie zum Beispiel auch Produkten mit dem Fin Ray Effect®.

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Best Practices // 31. July 2014

Perfekt vernebelt: μMist®-Technologie revolutioniert nicht nur die Einspritztechnik

Bionik-Innovation
Der Bombardierkäfer bot britischen Bionik-Forschern Novid Beheshti und Andy McIntosh von der Universität Leeds die Inspiration für die Entwicklung einer neuartigen Verneblungstechnik, die das Potenzial hat, einen herausragenden Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Die μMist®-Technologie könnte zum Beispiel den Einsatz von klimaschädigenden Fluor-Chlorkohlenwasserstoffen (FCKW) und anderen Treibgasen weitgehend überflüssig machen sowie die Einspritztechnik in der Automobil- und Flugzeugindustrie revolutionieren. Neben der Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Schadstoffen könnten auch Materialien und Kosten beim Bau der Einspritzvorrichtungen gespart werden.

Technische Anwendung
Die μMist®-Technologie sorgt dafür, dass der Treibstoff in Verbrennungsmotoren in kleineren Tropfen versprüht und mit geringerem Druck gearbeitet werden kann. Das birgt riesiges Potenzial in Sachen Ressourcenschonung und Kosteneffizienz. Die Innovation könnte aber auch zur Grundlage für die nächste Generation von Dampfträgersystemen werden. Ob in Verneblern/Sprays, Feuerlöschern, nadelfreien Injektionen für Impfungen oder Inhalatoren für Asthmapatienten – die Anwendungen sind vielfältig und könnten in alle von FCKW und anderen Treibgasen abhängigen Industrien durchschlagen. Vor allem in der Medizin bietet die feine Verneblung von Medikamenten für Patienten mit Atemwegserkrankungen ohne Einsatz von Chemikalien riesige Vorteile.

Bionisches Funktionsprinzip
Der Bombardierkäfer hat einen speziellen Sprühmechanismus, mit dem er sich mit einer Mischung aus Dampf und Giftstoffen gegen Angreifer verteidigt. Bei Zeitlupen-Untersuchungen der Forscher wurde die geniale Wirkungsweise entschlüsselt: Der Käfer stößt die Flüssigkeit durch eine schnelle Serie von Schüben mit wachsendem Druck aus. Es folgt ein Ausstoß, durch den der Druck abfällt, wodurch wiederum mehr Flüssigkeit aufgrund des Unterdrucks einströmen kann und der Druck wieder aufgebaut wird. Bionik-Forscher und Techniker entwickelten nach diesem Vorbild ein Verfahren, mit dem mittels der Kombination von Hitze und Flashverdampfung Flüssigkeiten aus kleinen Behältern bis zu vier Meter weit verspritzt werden können. Und das viel umweltfreundlicher als bisher: Treibgas ist damit nicht mehr nötig, die Chemikalie wird durch eine Erhitzungs- und Evaporationstechnik ersetzt. Das System gleicht einem Druckkochtopf mit Ventilen.

Vorbild aus der Natur
Der Bombardierkäfer gehört zur Gruppe der Laufkäfer und ist weltweit mit über 500 Arten vertreten. Er ist zwar nur höchstens zwei Zentimeter groß, aber extrem wehrhaft. Er kann seine Giftstoffe über 20 Zentimeter weit schießen und sich damit gegen Ameisen oder Frösche verteidigen. Das schafft er unglaubliche 500 Mal pro Sekunde. Grundlage ist eine Art „Explosionskammer“ im Körper, bei der mittels einer chemischen Reaktion Wärme und hoher Druck entstehen. Dadurch schießt ein ätzendes, etwa 100 °C heißes Gasgemisch mit einem Knall aus dem Hinterleib auf den Angreifer.

>> Zahlen <<

15 Milliarden:
geschätzte Zahl der Treibgasbehälter, die weltweit jährlich verkauft werden. Sie sind das Potenzial für den Einsatz der μMist®-Technologie

>> BIOKON-PROFIL <<

Swedish Biomimetics 3000 ist die internationale Plattform für die μMist®-Technologie in Schweden. Mehr Infos gibt es hier: www.swedishbiomimetics.com

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Best Practices // 31. July 2014

Winziges Strahlentierchen als Vorbild für riesige Offshore-Windkraftanlagen

Bionik-Innovation
In der Zukunft sollen bis zu 15 Prozent des Energiebedarfs in Deutschland durch Offshore-Windparks abgedeckt werden. Die in einer Studie des Bundesumweltministeriums genannte Zahl bedeutet, dass bis Ende 2030 bis zu 5.000 Windkraftanlagen und damit auch die dafür nötigen Gründungsstrukturen installiert werden müssen. Zur Optimierung der riesigen, in den Meeresboden verankerten Elemente bedienten sich Forscher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung AWI in der Helmholtz-Gemeinschaft in Bremerhaven sowie Ingenieure der WeserWind GmbH eines Vorbilds aus der Natur. Nur etwa 100 Mikrometer groß ist das zum Plankton gehörende Strahlentierchen, nach dessen Vorbild sich das Gewicht der Stahlkonstruktionen der Windkraftwerke um etwa 37 Prozent reduzieren lässt.

Technische Anwendung
Die Fundamente der Offshore-Windkraftanlagen sind 30 bis 40 Meter hohe dreibeinige Tripods, die im Meeresboden verankert werden. Sie wiegen 800 Tonnen. Vergleiche mit Plankton-Skeletten führten nun zu einer technischen Konstruktion, die über ein Drittel des Gewichts spart. So können die Gesamtkosten für Bau, Transport und Aufbau wesentlich gesenkt werden. Probleme wie Wind, Seegang oder Schiffshavarien wurden berücksichtigt, die Struktur ist reparabel. Das für die Entwicklung der Gründungsstrukturen genutzte „Evolutionary Light Structure Engineering“-Verfahren (ELiSE) soll den strukturellen Leichtbau auch in anderen Anwendungsbereichen der Industrie in ein neues Zeitalter führen.

Bionisches Funktionsprinzip
Die Forscher des AWI verfügen über einen Fundus von über 100.000 Präparaten von Kieselalgen und Radiolarien. Diese Organismen sind zwischen 2 und 1.000 Mikrometer groß. Sie haben in der Evolution sehr stabile und dennoch leichte Schalenstrukturen entwickelt, um in den oberen Meeresschichten verbleiben und sich gleichzeitig gegen die dort lebenden, natürlichen Feinde schützen zu können. Für die Offshore-Gründungsstruktur untersuchten die Wissenschaftler Hunderte Strahlentierchen und analysierten, welche der geometrischen Formen die Last von Windkraftanlagen tragen könnten. Im zweiten Schritt wurde eine Form ausgewählt, im dritten erfolgte das Abstrahieren für die technische Umsetzung, im vierten Schritt deren Optimierung und zuletzt die fertigungstechnische Aufbereitung.

Vorbild aus der Natur
Strahlentierchen oder Radiolarien gehören zur Gruppe der einzelligen Lebewesen und verfügen über ein Skelett aus Siliciumdioxid. Sie sind winzig klein und sind seit über 500 Millionen Jahren auf der Erde vertreten. Radiolarien leben im Meer und gehören zum Plankton. Es gibt sie in den unterschiedlichsten, teils phantastischen Formen, die auch Kugeln oder Schneekristallen ähneln können.

>> Zahlen <<

100 Mikrometer: Größe des Strahlentierchens, das als Vorbild für die Gründungsstruktur einer Offshore-Windkraftanlage Pate stand.

40 Meter beträgt die Höhe der Gründungsstruktur von Windkraftanlagen im Meer.

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Best Practices // 31. July 2014

Eine bionische Hörprothese: das Cochlea-Implantat

Bionik-Innovation
Das Cochlea Implantat (CI) wurde in den 1970er Jahren entwickelt und ist eine der ersten und wichtigsten Errungenschaften der Bionik-Forschung. Erstmals gelang es damals, einen menschlichen Sinn prothetisch zu ersetzen. Im Gegensatz zu Hörgeräten, die nur den eintreffenden Schall verstärken, übernimmt das CI den natürlichen Vorgang der Signalübertragung zwischen Haarsinneszelle und Hörnervenfaser. Damit ist es keine Hörhilfe, sondern eine Hörprothese für Gehörlose, deren Gehörnerv noch funktioniert. Diese ist von höchstem Nutzen, denn jeden Tag werden allein in Deutschland ein bis zwei gehörlose Kinder geboren. Dazu verlieren viele Menschen durch Unfälle und Krankheit ihren Hörsinn. Vielen dieser Menschen kann mit dem CI die Rückkehr in ein weitgehend normales Leben ermöglicht werden.

Technische Anwendung
Ein Cochlea-Implantat besteht aus externen und zu implantierenden Bauteilen. Die außenliegenden Komponenten wie Mikrofon, Soundprozessor, Batterie und Sendespule werden meist hinter dem Ohr getragen. Bei einer Operation implantiert werden Empfängerspule und Elektroden. All dies dient dazu, den natürlichen Hörvorgang technisch zu simulieren. Das Mikrofon fängt die Schallwellen aus der Umgebung auf. Der Soundprozessor wandelt diese elektronisch um und codiert sie. Die Sendespule sendet diese dann an die implantierte Empfängerspule, die wiederum über Elektroden direkt den Hörnerv anregt. Ab dann geht alles seinen natürlichen Weg. Für jeden CI-Benutzer wird der Soundprozessor mit einem speziellen Computerprogramm individuell angepasst.

Bionisches Funktionsprinzip
Mit dem Cochlea-Implantat wird der natürliche Hörvorgang nachgebildet. Bei Menschen mit normalem Hörvermögen steht dabei die Hörschnecke (Cochlea) im Zentrum. Die Haarsinneszellen im Inneren der Cochlea wandeln mechanische Schwingungen in Nervenimpulse um, die an das Gehirn weitergeleitet werden. Jede Haarsinneszelle ist auf eine spezielle Tonfrequenz spezialisiert, die sie an die Hörnervenfasern weitergibt. Die Elektroden im Cochlea-Implantat bilden diesen Vorgang nach: Sie erregen den Hörnerv. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Hörnervenfasern punktgenau wie beim natürlichen Hörvorgang zu reizen.

Vorbild aus der Natur
Das Innenohr ist ein wahres Multitalent und gehört zu den wichtigsten Sinnesorganen des Menschen. Neben dem Hör- ist es auch für den Gleichgewichtssinn zuständig. Über Jahrmillionen wurde die Funktion des Innenohrs perfektioniert. Das Ohr funktioniert als Trichter und leitet die Schallwellen ans Trommelfell weiter. Dort sitzen die Gehörknöchelchen − Hammer, Amboss und Steigbügel − die den Reiz weiterleiten. Haarzellen wandern den mechanischen Reiz dann in einen elektrischen um, der im Gehirn verarbeitet wird.

>> Zahlen <<

Mehr als 300.000 Menschen
tragen weltweit das Cochlea-Implantat, davon über 30.000 allein in Deutschland

>> Das bionische Ohr <<

Das Cochlea-Implantat, das in das Innere des Ohres eingesetzt wird und akustische Signale in Nervenimpulse umsetzt und an das Gehirn weitersendet, gibt tauben Patienten mit genetisch bedingter Taubheit in 45 bis 50 Prozent der Fälle ihr Gehör zurück. Bei Fällen von post-infektiöser Taubheit, Hörverlust ausgelöst durch Medikamententoxikation oder Problemen während der Schwangerschaft – beispielsweise viralen Erkrankungen der Mutter im ersten Schwangerschaftsdrittel – hilft das Implantat bei 25 bis 30 Prozent der Betroffenen. „Das Cochlea-Implantat ist bei allen Patienten wirksam, bei denen die Taubheit auf Probleme im Innenohr zurückzuführen ist und jene Zellen geschädigt sind, die dafür zuständig sind die Geräusche in elektrische Signale umzusetzen und durch den Hörnerv an das Gehirn weiterzuleiten“, erklärt Studienleiter Gaetano Paludetti von der Università Cattolica di Roma.

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Best Practices // 31. July 2014

Die bionische Transportpalette im Igel-Stil

Bionik-Innovation
Für den Transport empfindlicher Güter wie Computer-Serverschränke sind stoßdämpfende Paletten nötig. Da sie international versendet werden, gibt es für die meist aus einem Mix von Holz, Kunststoff und Metall bestehenden Elemente kein Entsorgungskonzept. Meist werden sie schlicht nach einmaligem Gebrauch weggeworfen und nicht oder nur teilweise recycelt. Eine von Biologen der Universität Freiburg gemeinsam mit Ingenieuren des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf und der Firma Rittal entwickelte bionische Transportpalette kann die Verschwendung von Ressourcen stoppen. Die aus mehreren Komponenten bestehende Konstruktion wurde nach natürlichen Vorbildern wie Bambushalmen, Bäumen oder Igelstacheln entwickelt. Eine Deckplatte aus Naturfasern und biologisch abbaubarem Polylactid und die Wiederverwendbarkeit von Elementen sorgen für eine wesentlich verbesserte Ökobilanz. Mit einer minimal statischen Gesamtlast von 1.200 kg, einer verbesserten Stoß-/Schwingungsdämpfung im Bereich 15 bis 35 Hz, wettbewerbsfähigen Kosten und einer neutralen CO2-Bilanz ist die bionische Palette ein ökonomisch überaus attraktives Produkt.

Technische Anwendung
Durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe wie Naturfasern ist die bionische Palette bei ähnlichen Kosten deutlich umweltschonender als herkömmliche Modelle. Hinzu kommt mittelfristig eine effektive Kostenersparnis. Denn die Palette besteht aus einzelnen Modulen, die im Vergleich zu bisherigen Produkten schnell zusammen- und auseinandergebaut werden können. Die Palette wird deswegen kein Einwegprodukt, sondern modular wiederverwendbar sein. Die Deckplatte und die Podestfüße sind völlig recycelbar. Durch die Modularität kann zudem flexibel auf Kundenwünsche eingegangen werden. Damit hat die bionische Transportpalette beste Argumente am Markt.

Bionisches Funktionsprinzip
Die einzelnen Komponenten der Transportpalette haben unterschiedliche biologische Vorbilder. Bei der Optimierung der Deckplatte lieferte zum Beispiel der Aufbau von Bambushalmen die Inspiration. Im Halm werden Scherspannungen zur Dämpfung schwingender Halme genutzt. Dazu sind die Fasern durch Einbettung in das Grundgewebe gegen Ausbeulen unter Druck und Biegebelastung geschützt. Für ein anderes Modul standen die Stacheln von Igeln und Stachelschweinen Pate. Die Stacheln schützen nicht nur vor Feinden, sondern auch äußerst effektiv vor Verletzungen bei Stürzen. Die Fallenergie wird von den Stacheln aufgenommen, ohne dass diese dabei brechen. Sie sind in eine Schicht aus Hautmuskulatur eingebettet und vereinen Biegesteifigkeit, Dämpfungseigenschaften und Leichtbau. Nach dem Vorbild der biologischen Stoßdämpfer bauten die Forscher im Labor zunächst einen einfachen Demonstrator aus einem schaumgefüllten Tennisball mit Stäben. Daraus wurde dann das Endprodukt entwickelt.

Vorbild aus der Natur
Igel gehören zur Gruppe der Säugetiere, die etwa 25 Arten sind in Eurasien und Afrika verbreitet. Das besondere anatomische Merkmal des Großteils der Igel sind ihre Stacheln an Rücken und Flanken, die eine wirksame Verteidigungswaffe sind. Diese Stacheln sind in der Evolution modifizierte, hohle Haare. Jeder Stachel ist mit einem Aufrichtemuskel ausgestattet. Im Falle einer Bedrohung rollen sich Stacheligel zu einer Kugel zusammen und verbergen die ungeschützten Körperteile.

>> Zahlen <<

1.200 Kilogramm beträgt die statische Gesamtlast der bionischen Transportpalette.

>> Ausgezeichnete Forschung <<

Die „Bionische Transport-Palette“ wurde 2011 mit dem „Best of Certificate“, dem ersten Preis des „Materialica Design+Technology Award“, in der Kategorie CO2-Effizienz ausgezeichnet.

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Best Practices // 31. July 2014

Ohne Pumpen möglich: mit Textilien Flüssigkeiten transportieren

Bionik-Innovation
Lianen sind in der Lage, Wasser ohne jedes Pumpsystem über größere Entfernungen und in große Höhen zu transportieren. Davon haben sich Forscher der Universität Tübingen und vom ITV Denkendorf inspirieren lassen und haben technische Textilien entwickelt, die künftig für den Ferntransport von Flüssigkeiten sorgen könnten. In den mikroskopischen Hohlfasern dieser Textilmatten sollen durch eine spezielle Strukturierung der Oberfläche Flüssigkeiten sicher und bedarfsgesteuert über große Distanzen transportiert werden. Das Ganze ohne Pumpsystem. Das spart Energie, schont die Natur und hilft zudem bei der Erhöhung der Kosteneffizienz – die Einsatzmöglichkeiten der innovativen Technologie reichen weit über den Einsatz in Bewässerungssystemen hinaus.

Technische Anwendung
Mit Hilfe der technischen Textilien könnten künftig Bewässerungssysteme realisiert werden, die Wasser ohne aktiven Pumpmechanismus sparsam und bedarfsreguliert an Pflanzen abgeben. Das Wirkungsprinzip ist aber auch für viele weitere Bereiche interessant, in denen größere Mengen an Flüssigkeiten über einen längeren Zeitraum abtransportiert werden müssen. Zu nennen sind hier auch schonende Entwässerungssysteme, die Drainage von Bauwerken, Textilien für die Medizin und Bekleidungsindustrie oder Brennstoffzellen. In letzterem Beispiel könnte so das beim Prozess entstehende Wasser effektiv abgeführt werden.

Bionisches Funktionsprinzip
Lianen transportieren Wasser ohne aktiven Pumpmechanismus über große Entfernungen – und die benötigte Energie wird dabei praktischerweise von der Sonne über den Transpirationssog geliefert. Weitere Eigenschaften machen dieses Wunderwerk der Natur für die menschliche Nutzung in Textilien interessant: Das Transportvolumen ist bedarfsgerecht – es wird genau so viel Wasser transportiert, wie für den Stoffwechsel der Pflanzen benötigt wird. Zudem hat das System eine hohe Transportsicherheit, da Embolien vermieden und repariert werden. Das wird durch Transportkapillare erreicht, die Wasser über Membranschleusen an die nächste Kapillare weitergeben. Die technische Realisierung ist noch im Anfangsbereich. Jedoch wurden schon mikroskopischen Hohlfasern mit einer speziell strukturierten Oberfläche für eine Embolievermeidung und Emboliereparatur entwickelt. Sie sollen Flüssigkeiten in speziellen Textilmatten sicher und bedarfsgerecht über große Distanzen transportieren. Am ITV Denkendorf ist der Transport mit speziellen Fasermaterialien aktuell über 1,5 Meter Förderhöhe gelungen. In weiteren Grundlagenstudien sind bereits Förderhöhen über 17 Meter realisiert worden.

Vorbild aus der Natur
Lianen sind die wohl bekanntesten Kletterpflanzen – nicht nur wegen des Urschreis von Tarzan im Film. Besonders zahlreich sind Lianen im tropischen Regenwald vertreten. Ihre tauartigen dünnen Stämme können durchaus 100 Meter lang sein. Deswegen ist das Wasserleitungsgewebe im Stamm bei allen Lianen perfektioniert. Der Leitungswiderstand zwischen den Zellen ist extrem herabgesetzt. Es gibt auch in Mitteleuropa Lianenarten wie Clematis, Wilde Weinrebe oder Efeu.

>> Zahlen <<

17 Meter beträgt die Förderhöhe von Flüssigkeiten, die ohne Einsatz von Pumpsystemen mit Hilfe technischer Textilien bislang erreicht wurden.

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Best Practices // 31. July 2014

Die Bauweise der Zukunft: Textile Solarthermie im Eisbärhaus

Bionik-Innovation
Energieautarke Gebäude unter Benutzung des textilbionischen „Eisbärfell-Effekts“ könnten die Bauweise in der Zukunft revolutionieren. Im Sommer kühlen, im Winter wärmen und das alles nur mit Sonnenenergie – das soll in dem futuristischen Hightech-Bau mit der textilen Gebäudehülle möglich sein. Sechs Forschungspartner unter Federführung des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik (ITV) haben mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Landes Baden-Württemberg ein Muster-Eisbärhaus in Denkendorf bei Stuttgart gebaut. Es besitzt neuartige textile Solarkollektoren aus mehreren Membranschichten, die eine hohe Wärmeisolation aufweisen. Gespeichert wird die Energie dann bis zum Winter in Langzeit-Speichern aus Silikagel.

Technische Anwendung
Das Interesse der Wirtschaft am Muster-Eisbärhaus ist riesig. „Viele Architekten und Baufachleute haben den Wunsch geäußert, nach diesem Prinzip bauen zu wollen“, kommentierte ITV-Forscher Jamal Sasour bereits wenige Monate nach der Inbetriebnahme. Es gibt bereits Folgeprojekte, um vorhandene Energie ins Haus zu holen. Textilen Materialien gehört im Bauwesen nicht nur wegen neuer energieeffizienter Lösungen die Zukunft: Mit Hilfe von Textilbeton sind organischen Strukturen nachempfundene Fassaden möglich, die extreme Festigkeit und nahezu grenzenlose Formgebung vereinen. Sie sind korrosionsbeständig und hochfest, dabei aber deutlich leichter und schlanker. So werden neben Energie auch Rohstoffe gespart.

Bionisches Funktionsprinzip
Eisbären besitzen ein dichtes, weißes Fell, eine schwarze Epidermis und eine Fettschicht zur Wärmedämmung – mit dieser Kombination haben sie ihren Energiehaushalt perfektioniert und sind unter extremsten Witterungsbedingungen lebensfähig. Im Eisbärhaus ist dieses Prinzip technisch umgesetzt worden: Einfallendes Sonnenlicht trifft auf ein schwarz beschichtetes Textilgewebe und eine hoch poröse Membran mit Wärmetransportschicht, die zusammen für die Erwärmung der durchströmenden Luft sorgen. Warme Sommerluft gelangt so in ein Langzeit-Speichersystem mit Silikagel, in dem sie bis in die Winterzeit hinein „gelagert“ wird. Eine weitere Schicht in der Gebäudehülle sorgt für eine hohe Wärmedämmung nach außen – zuständig für das Fernhalten der Winterkälte.

Vorbild aus der Natur
Der Eisbär lebt in den Polarregionen der Erde und gilt mit einer Rumpflänge von 3,40 Metern und einer Schulterhöhe bis 1,60 Meter als das größte landlebende Raubtier der Erde. Er kann selbst tiefste Minustemperaturen aushalten und stundenlang im eiskalten Wasser schwimmen. Bei extremen Wetterverhältnissen lässt er sich einschneien und übersteht so selbst stärkste Winterstürme. Der Eisbär ist perfekt an die Lebensverhältnisse angepasst, allerdings droht sein Lebensraum durch die globale Erwärmung zu schwinden.

>> Zahlen <<

2000 Zyklen der Energieaufnahme  und -abgabe kann das Silikagel im Speicher mindestens bewältigen.
80 Grad Celsius beträgt die Mindesttemperatur, mit der die von der Sonne erwärmte Luft in den Speicher geblasen wird.

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