Best Practices // 31. July 2014
Eine bionische Hörprothese: das Cochlea-Implantat
Bionik-Innovation
Das Cochlea Implantat (CI) wurde in den 1970er Jahren entwickelt und ist eine der ersten und wichtigsten Errungenschaften der Bionik-Forschung. Erstmals gelang es damals, einen menschlichen Sinn prothetisch zu ersetzen. Im Gegensatz zu Hörgeräten, die nur den eintreffenden Schall verstärken, übernimmt das CI den natürlichen Vorgang der Signalübertragung zwischen Haarsinneszelle und Hörnervenfaser. Damit ist es keine Hörhilfe, sondern eine Hörprothese für Gehörlose, deren Gehörnerv noch funktioniert. Diese ist von höchstem Nutzen, denn jeden Tag werden allein in Deutschland ein bis zwei gehörlose Kinder geboren. Dazu verlieren viele Menschen durch Unfälle und Krankheit ihren Hörsinn. Vielen dieser Menschen kann mit dem CI die Rückkehr in ein weitgehend normales Leben ermöglicht werden.
Technische Anwendung
Ein Cochlea-Implantat besteht aus externen und zu implantierenden Bauteilen. Die außenliegenden Komponenten wie Mikrofon, Soundprozessor, Batterie und Sendespule werden meist hinter dem Ohr getragen. Bei einer Operation implantiert werden Empfängerspule und Elektroden. All dies dient dazu, den natürlichen Hörvorgang technisch zu simulieren. Das Mikrofon fängt die Schallwellen aus der Umgebung auf. Der Soundprozessor wandelt diese elektronisch um und codiert sie. Die Sendespule sendet diese dann an die implantierte Empfängerspule, die wiederum über Elektroden direkt den Hörnerv anregt. Ab dann geht alles seinen natürlichen Weg. Für jeden CI-Benutzer wird der Soundprozessor mit einem speziellen Computerprogramm individuell angepasst.
Bionisches Funktionsprinzip
Mit dem Cochlea-Implantat wird der natürliche Hörvorgang nachgebildet. Bei Menschen mit normalem Hörvermögen steht dabei die Hörschnecke (Cochlea) im Zentrum. Die Haarsinneszellen im Inneren der Cochlea wandeln mechanische Schwingungen in Nervenimpulse um, die an das Gehirn weitergeleitet werden. Jede Haarsinneszelle ist auf eine spezielle Tonfrequenz spezialisiert, die sie an die Hörnervenfasern weitergibt. Die Elektroden im Cochlea-Implantat bilden diesen Vorgang nach: Sie erregen den Hörnerv. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Hörnervenfasern punktgenau wie beim natürlichen Hörvorgang zu reizen.
Vorbild aus der Natur
Das Innenohr ist ein wahres Multitalent und gehört zu den wichtigsten Sinnesorganen des Menschen. Neben dem Hör- ist es auch für den Gleichgewichtssinn zuständig. Über Jahrmillionen wurde die Funktion des Innenohrs perfektioniert. Das Ohr funktioniert als Trichter und leitet die Schallwellen ans Trommelfell weiter. Dort sitzen die Gehörknöchelchen − Hammer, Amboss und Steigbügel − die den Reiz weiterleiten. Haarzellen wandern den mechanischen Reiz dann in einen elektrischen um, der im Gehirn verarbeitet wird.
>> Zahlen <<
Mehr als 300.000 Menschen
tragen weltweit das Cochlea-Implantat, davon über 30.000 allein in Deutschland
>> Das bionische Ohr <<
Das Cochlea-Implantat, das in das Innere des Ohres eingesetzt wird und akustische Signale in Nervenimpulse umsetzt und an das Gehirn weitersendet, gibt tauben Patienten mit genetisch bedingter Taubheit in 45 bis 50 Prozent der Fälle ihr Gehör zurück. Bei Fällen von post-infektiöser Taubheit, Hörverlust ausgelöst durch Medikamententoxikation oder Problemen während der Schwangerschaft – beispielsweise viralen Erkrankungen der Mutter im ersten Schwangerschaftsdrittel – hilft das Implantat bei 25 bis 30 Prozent der Betroffenen. „Das Cochlea-Implantat ist bei allen Patienten wirksam, bei denen die Taubheit auf Probleme im Innenohr zurückzuführen ist und jene Zellen geschädigt sind, die dafür zuständig sind die Geräusche in elektrische Signale umzusetzen und durch den Hörnerv an das Gehirn weiterzuleiten“, erklärt Studienleiter Gaetano Paludetti von der Università Cattolica di Roma.