BIOKON – Das Bionik-Kompetenznetz

Best Practices

„I think the biggest innovations of the 21st century will be at the intersection of biology and technology. A new era is beginning.”
Steve Jobs, Apple Gründer

Die Innovationskraft der Bionik entspringt aus dem nahezu grenzenlosen Pool an biologischen Vorbildern für spezifische Antworten auf technische Fragestellungen. In beeindruckender Vielfalt schafft die Natur Inspirationen für technische Entwicklungen, die Marktrelevanz in den unterschiedlichsten Branchen haben.

Hier haben wir Erfolgsbeispiele der Bionik zusammengestellt, die wir nach dem Schema (1) Bionik-Innovation, (2) Technische Anwendung, (3) Bionisches Funktionsprinzip und (4) Vorbild aus der Natur aufbereitet haben – unterstützt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt im Rahmen der Förderung unseres Bionik-Unternehmensforums.

Willkommen bei den Innovationen an der Schnittstelle von Biologie und Technik.

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Best Practices // 1. August 2014

Wenn sich Werkstoffe selbst heilen

Bionik-Innovation
Autos oder Flugzeuge, die sich quasi selbst reparieren, ein angeknackstes Handy-Display, das sich selbst heilen kann – diese Träume der Verbraucher könnten sich in absehbarer Zeit schon erfüllen. Ein gemeinsames Bionik-Forschungsvorhaben der Plant Biomechanics Group Freiburg mit dem Fraunhofer-Institut UMSICHT und dem Freiburger Materialforschungszentrum ebnete den Weg für die ersten Schritt dorthin. Darin wurden nach dem Vorbild von Selbstheilungsprozessen bei Pflanzen selbstreparierende Elastomere entwickelt, aus denen die Firma Gummi- und Kunststofftechnik Fürstenwalde GmbH langlebige Auspuffaufhängungen als Prototypen herstellt. Dies können Mikrorisse „ausheilen“, die sonst zum Materialbruch führen würden.

Technische Anwendung
Neben den Auspuffaufhängungen sind zahlreiche andere technische Anwendungen in der Entwicklungsphase – im ersten Schritt vor allem bei Komponenten, die aus Elastomeren bestehen und dauernden mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind. Beispiele dafür sind Faltenbälger und Schwingungsdämpfer. Besonders interessant sind auch selbstheilende Dichtungsringe – so könnten nicht nur Instandhaltungskosten verringert sondern auch schädliche Emissionen oder Leckageverluste verhindert werden. Das würde die Sicherheit von Anlagen und Rohrsystemen entscheidend erhöhen. Ein mindestens genauso großes Potenzial haben selbstheilende Lacke bei Autos oder Flugzeugen oder sich „selbst reparierende“ Handy-Displays.

Bionisches Funktionsprinzip
Vorbild für diese selbstreparierenden Gummiwerkstoffe sind Selbstheilungsprozesse bei milchsaftführenden Pflanzen wie zum Beispiel der Birkenfeige. Die Plant Biomechanics Group Freiburg analysierte die Prozesse der biologischen Selbstheilung eingehend, anschließend werden sie bei den materialwissenschaftlichen Partnern wie beim Materialforschungszentrum von Fraunhofer in technische Lösungen überführt. „Die innovativen Materialien sind in der Lage, Mikrorisse auszuheilen und erreichen nach einem makroskopischen Schnitt und anschließender Reparatur nahezu ihre ursprünglichen mechanischen Kennwerte“, fasst Max von Tapavicza vom Fraunhofer-Institut Erkenntnisse der Forschungen zusammen. Bislang konnten die technischen Elastomere EPDM (Ethylene-Propylene-Dien-Kautschuk Typ M) und NBR (Nitril-Butadien-Kautschuk) sowie ein thermoplastisches Elastomer (TPE) mit einer Selbstheilungsfunktion ausgestattet werden. Darin spielen nach dem Vorbild der Natur auch Ionen eine Rolle.

Vorbild aus der Natur
Die Birkenfeige ist auch als „Ficus Benjamini“ bekannt und gehört zu den Maulbeergewächsen. Sie ist in Asien und Australien und beheimatet und hat von dort aus ihren Siegeszug als Zimmerpflanze angetreten. Sie verfügen über eine erstaunliche Eigenschaft: Wird die Pflanze verletzt, sorgen ein Protein und ebenfalls im Milchsaft enthaltene Latexpartikel für einen perfekten Wundverschluss.

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Best Practices // 1. August 2014

Bionik-Propeller: ein leiser Lüfter nach Adler-Art

Bionik-Innovation
Das Brummen von Lüftern kann ganz schön nerven – ob nun am Computer oder am Zimmerventilator. Der leiseste Lüfter der Welt kann da Abhilfe schaffen. Entwickelt wurde der bionische Schlaufenpropeller nach dem Vorbild der Schwingen des Adlers, der majestätisch scheinbar ohne Flügelschlag durch die Luft gleitet. Das Geheimnis dahinter ist der geringe Luftwiderstand. Der nach diesem Vorbild durch die Verbindung der Flügelenden entwickelte Bionik-Propeller vermindert nicht nur die Lärmemissionen, er könnte in Zukunft auch Windparks revolutionieren. Darüber hinaus haben Multiwinglets nach dem Adler-Vorbild für die Tragflächengestaltung das Zeug, Millionen Tonnen Treibstoff zu sparen.

Technische Anwendung
Ein Forscherteam um den Bioniker Dr. Rudolf Bannasch entwickelte das Prinzip des Schlaufenrotos. Im Rahmen eines Forschungsprojekts entstand eine Lüfterserie, die in fast allen Bereichen die Spitze der aktuellen IT-Axial-Lüfter-Technik erreicht. Bionik-Propeller sind 30 Prozent leiser als herkömmliche Modelle – speziell in Rechenzentren bringt das eine signifikante Verminderung des Lärms. Es bieten sich auch Chancen in ganz anderen Einsatzgebieten: Bei einem Test des Schlaufenpropellers an einem Schubschiff, das Hunderte Tonnen Kies bewegt, konnte eine Erhöhung der Schubleistung um fast 20 Prozent erreicht werden. Auch in großen Windparks könnte der Schlaufenpropeller eine wesentliche Erhöhung der Effizienz und mehr Energieproduktion bewirken.

Bionisches Funktionsprinzip
Adler erreichen im Flug durch das Aufspreizen ihrer Handschwingen weniger Luftverwirbelungen. Dadurch reduziert sich der induzierte Strömungswiderstand, da dieser vom Quadrat des Wirbeldurchmessers abhängt. So nimmt der Luftwiderstand ab, der Vogel spart Energie. Die Bioniker entwickelten dieses Prinzip konsequent weiter und konnten durch die Schlaufenform erreichen, dass normalerweise am Ende des Propellerarms auftretende Turbulenzen verschwinden. Es bildet sich praktisch eine unendliche Tragfläche ohne Abrisskanten, die deutlich leiser und energiesparender funktioniert.

Vorbild aus der Natur
Seevögel wie der Albatros können auch deshalb Tausende Kilometer fliegen, weil sie durch langgestreckte Flügel und schmale Flügelenden einen niedrigen induzierten Strömungswiderstand haben und damit Energie sparen. Der Steinadler reduziert seinen Randwiderstand durch die aufgestellten Handschwingen. So kann er auf der Suche nach Beute lange in der Luft kreisen, ohne häufig mit den Flügeln schlagen und Energie verbrauchen zu müssen. Steinadler haben bei einer Flügelspannweite von etwa zwei Metern elf Handschwingen.

>> Zahlen <<

Leise Kraftprotze
Im Vergleich zu konventionellen Propellern können bionische Schlaufenrotoren von Windraftanlagen im Durschnitt 30 Prozent mehr Energie erzeugen – und das bei nur halb so viel Geräuschemissionen (Quelle: EvoLogics GmbH).    

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Best Practices // 1. August 2014

Millionen Tonnen Treibstoff sparen mit dem Salvinia-Effekt®

Bionik-Innovation
Die schneebesenartigen Haare einer Pflanze schaffen es, dauerhaft eine Luftschicht unter Wasser zu halten. Bionik-Forscher wollen diesen sogenannten Salvinia-Effekt® nutzen und Schiffe künftig mittels eines speziellen Schiffsanstrichs quasi in einer Luftblase schwimmen lassen. So könnte der durch Reibung des Schiffsrumpfs im Wasser entstehende Energieverlust um bis zu zehn Prozent gesenkt werden. Ein Prozent des in diesem Bereich anfallenden globalen Rohölverbrauchs – das sind Millionen Tonnen Treibstoff – könnten so jährlich gespart werden. Das dient der Ressourcenschonung wie dem Umweltschutz gleichermaßen. „Gelingt der Transport dieses Natur-Phänomens in die Technik, könnten Reedereien wegen der Treibstoffersparnis signifikant Kosten reduzieren. Zugleich profitiert wegen des sinkenden Treibstoffausstoßes die Umwelt“, sagt Professor Wilhelm Barthlott dazu.

Technische Anwendung
Das von Bionikpionier Wilhelm Barthlott an der Universität Bonn geleitete Forschungsrojekt wurde in Zusammenarbeit mit weiteren Universitäten und hochkarätigen Partnern aus der Wirtschaft durchgeführt. Neben der morphologischen und biomechanischen Charakterisierung spielt die strömungsmechanische Untersuchung mittels hochauflösender „Mikro Particle Image Velocimetry“ eine zentrale Rolle. Die Übertragung wasserabweisender Oberflächen aus der Natur – wie sie neben Schwimmfarnen auch Insekten sowie einige Spinnen, Vögel und Säugetiere nutzen – ist bereits geglückt. Die entwickelten Oberflächenstrukturen wurden patentiert. Künftig sollen Schiffe mit einem bionischen Bootslack durch die Meere gleiten, der den Kontakt von Wasser mit dem Schiffsrumpf verhindert.

Bionisches Funktionsprinzip
Salvinia-Schwimmfarne nutzen unter Wasser auf ihrer Oberfläche einen dünnen Luftfilm, der die Pflanze wochenlang trocken hält. Verantwortlich für diesen Salvinia-Effekt® sind feine Härchen auf der Blattoberfläche. Die deutschen Forscher haben deren Wirkungsweise entschlüsselt. Große Bereiche sind mit feinen Wachskristallen besetzt und dadurch wasserabweisend. Die äußersten Spitzen der Härchen sind dagegen wasseranziehend. Das führt dazu, dass ein Film von Luftbläschen zwischen der Pflanzenoberfläche und der von den Haarspitzen angezogenen Wasserschicht entsteht. So baut sich eine schützende Hülle auf, die künftig auch Schiffe umgeben soll.

Vorbild aus der Natur
Schwimmfarne kommen vor allem in stehenden oder langsam fließenden Gewässern in den tropischen Gebieten Mittel- und Südamerikas vor. Sie sind bis zu 20 Zentimeter große Pflanzen, die wegen ihrer perfekten Anpassung ganze Wasseroberflächen überwuchern können. Ihre Wachstumsgeschwindigkeit ist die höchste aller Gefäßpflanzen weltweit. Sie kann ihre Biomasse innerhalb von vier Tagen verdoppeln. Für ihren ökologischen Erfolg spielt der Salvinia-Effekt® eine entscheidende Rolle.

>> Zahlen <<

4 Millionen Tonnen beträgt die mögliche jährliche Treibstoffersparnis durch Schiffsanstrich mit Salvinia-Effekt®.

12 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emissionen lassen sich pro Jahr durch Schiffsanstrich mit Salvinia-Effekt® vermeiden.

>> BIOKON-PROFILE <<

Professor Dr. Wilhelm Barthlott, Botaniker, Biologe und BIOKON-Ehrenmitglied, ist ein Pionier der Verbindung von Biologie und Technik. Aus seinen systematischen elektronenmikroskopischen Forschungen pflanzlicher Oberflächen entwickelte er selbstreinigende (Lotus-Effekt) und permanent unter Wasser lufthaltende Oberflächen (Salvinia-Effekt). Wilhelm Barthlott erhielt für seine Arbeit zahlreiche Auszeichnungen wie den Deutschen Umweltpreis.

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Best Practices // 1. August 2014

Von den Ratten abgeschaut: Selbstschärfende Messer in Industriemaschinen

Bionik-Innovation
Stumpfe Messer, Klingen und andere Schneidwerkzeuge sind in der Industrie ein allgegenwärtiges Problem. Vor allem die Betreiber von Schneidemühlen und Recycling- sowie Kunststoff-Fabriken müssen ihre Maschinen regelmäßig stoppen, um die sich schnell abnutzenden Messer auszubauen, zu schleifen und wieder einzusetzen. Der Stillstand kostet auf Dauer viel Geld. Forscher vom Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen fanden eine Lösung für das Problem in der Natur. Die Zähne von Nagetieren wie Ratten bleiben ein ganzes Leben lang scharf – obwohl sie selbst härteste Materialien wie Metall durchdringen. Nach diesem Vorbild wurde ein neues, selbstschärfendes Bionik-Messer entwickelt.

Technische Anwendung
Die Verwendung selbstschärfender bionischer Messer bringt der Industrie zahlreiche Vorteile. Neben der Produktivitätssteigerung durch geringere Wartungszeiten wird die Schneidequalität erhöht. Zugleich steigt durch den verminderten Abrieb die Haltedauer der Produkte – damit wird weniger Stahl verbraucht. Die dauerhaft scharfen Messer sorgen zudem dafür, dass für den Schneidevorgang weniger Energie aufgewendet werden muss – das schont die Umwelt. Neben der industriellen Anwendung in Schneidemühlen, Kunststoff- oder Recycling-Fabriken ist die Entwicklung zum Beispiel auch für Köche oder im Haushalt interessant.

Bionisches Funktionsprinzip
Die Schneidezähne von Ratten bestehen innen aus weichem Dentin und außen aus hartem Zahnschmelz. Das Prinzip der Selbstschärfung entsteht durch den unterschiedlich starken Abrieb der beiden Materialien wegen ihrer unterschiedlichen Härte. Das weiche Dentin wird beim Nagen ständig abgerieben. Der Zahnschmelz ist jedoch härter und bildet deshalb stets eine scharfe Schnittkante. Das natürliche Prinzip wurde von den Wissenschaftlern transferiert. Im Bionik-Messer befindet sich innen eine Hartmetallmischung – wie das Dentin beim Nager. Darüber wurde eine dünne Schicht aus extrem harter und widerstandsfähiger Keramik gezogen – sozusagen der harte Zahnschmelz. Um die Belastungen beim Schneiden besser zu verteilen, ist die Außenkante der Klinge zudem leicht gewölbt.

Vorbild aus der Natur
Ratten sind Nagetiere, die weltweit in 65 Arten vorkommen. Sie sind von den Menschen als Krankheitsüberträger gefürchtet, besitzen aber viele bemerkenswerte Eigenschaften. Sie vermehren sich extrem schnell und können sich an verschiedenste Lebensumstände anpassen. Ein Schlüssel dafür sind ihre Zähne. Diese wachsen jede Woche zwei bis drei Millimeter und können wegen ihres speziellen Aufbaus selbst härteste Materialien wie Holz, Metall oder Beton durchnagen. Trotzdem bleiben die Zähne immer scharf.

>> IM PROFIL <<

Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen versteht sich als Vorreiter für technische Neuerungen in den Bereichen Energie, Prozesse und Produkte und will nachhaltiges Wirtschaften, umweltschonende Technologien und innovatives Verhalten voranbringen, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu fördern. Als eines von 66 Instituten und selbstständigen Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft ist UMSICHT weltweit vernetzt und fördert die internationale Zusammenarbeit.
www.umsicht.fraunhofer.de

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Best Practices // 1. August 2014

Der Prachtkäfer macht’s vor: mit Infrarotsensoren Großbrände verhindern

Bionik-Innovation
Waldbrände verursachen allein in der Europäischen Union (EU) jedes Jahr Schäden von 2,5 Milliarden Euro. Um zerstörende Großfeuer künftig durch ihre frühere Erkennung und Bekämpfung verhindern zu können, werden in einem vom Institut für Zoologie der Universität Bonn geführten Bionik-Projekt neuartige technische Sensoren entwickelt. Das natürliche Vorbild wurde bei feuerliebenden Insekten wie dem Prachtkäfer gefunden. Sie können mittels spezieller Infrarotrezeptoren das Feuer „spüren“. „Eine effektive Früherkennung kann helfen, die Entstehung von verheerenden Großbränden zu verhindern. Neuartige bionische Infrarotsensoren, die im Rahmen des Projektes auch nach dem Vorbild des Prachtkäfers entwickelt werden, sollen künftig dabei helfen", erklärt Projektchef Professor Helmut Schmitz von der Uni Bonn. Gibt es weniger Brände, vermindern sich auch die schädlichen Rauchgase – damit wird neben der Tier- und Pflanzenwelt zugleich die Atmosphäre geschont.

Technische Anwendung
Die neuartigen bionischen Sensoren zeichnen sind durch die relativ einfache Bauweise, die kostengünstige Herstellung, die starke Miniaturisierung des einzelnen Sensorelements und eine geringere Störanfälligkeit aus. Das garantiert die Herstellung robuster sowie kostengünstiger Feuermelder und die Produktion von Feuer- sowie Hitzedetektoren in Gebäuden und Fahrzeugen. Kostengünstige wärmebildgebende Sensoren könnten zudem als Nachtsichtassistenten in Automobilen, Infrarotsichtgeräten für Feuerwehreinsätze sowie der Grenzüberwachung und Minensuche eingesetzt werden. Weitere Anwendungsfelder sind Diagnoseverfahren in der Medizin, Temperaturüberwachung in der Industrieproduktion oder die Qualitätssicherung im Baugewerbe. Beispielsweise ermöglichen kostengünstige Infrarotsichtgeräte, dass Hausbesitzer selbst Wärmeleckagen ihrer Häuser ermitteln und Verbesserungen an der Dämmung durchführen können. Dies hilft bei der Energieeinsparung im privaten Bereich.

Bionisches Funktionsprinzip
Bestimmte Insekten fliegen gezielt Waldbrände an, um die durch das Feuer entstehenden Nahrungsressourcen und geeignete Überlebensbedingungen für ihren Nachwuchs nutzen zu können. Ein Beispiel ist der Prachtkäfer der Gattung Melanophila. Dieser Käfer verfügt über zwei Sensorarrays von jeweils etwa 70 photomechanischen Infrarotrezeptoren. Die thermo-mechanischen Eigenschaften der Infrarotstrahlung absorbierenden Strukturen werden mit modernen materialwissenschaftlichen Methoden untersucht, um die Wirkmechanismen auch im Mikro- und Nanobereich zu entschlüsseln. Die absorbierte Infrarotstrahlung wird in ein mikromechanisches Ereignis umgesetzt, das von einer hochempfindlichen mechanosensitiven Sinneszelle gemessen wird. Mit den an den biologischen Infrarotrezeptoren gewonnenen Ergebnissen sollen Prototypen technischer photomechanischer Infrarotsensoren hergestellt werden.

Vorbild aus der Natur
Die Gattung der Prachtkäfer stellt mit über 15.000 Arten eine der größten auf der Erde dar. Einige Arten haben sich Waldbrände spezialisiert – wenn sie einen aufspüren, beginnen sie sofort mit der Paarung. Im Waldbrandgebiet werden die Eier dann im verbrannten Holz abgelegt. Die Larven fressen dann das brandgeschädigte Holz, in dem es zudem kaum Fressfeinde gibt.

>> Zahlen <<

2,5 Milliarden Euro: Kosten der Schäden, die allein in der Europäischen Union (EU) jährlich durch Waldbrände entstehen.

0,02 nm beträgt der Durchmesser der Kutikulakugeln der IR-Rezeptoren von feueraufspürenden Prachtkäfern. Das ist weniger als bei einem feinen Haar.

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Best Practices // 1. August 2014

Antifouling: Künstliche Haihaut soll Millionen Tonnen Treibstoff sparen helfen

Bionik-Innovation
Algen, Seepocken und Muscheln gehören zu den größten Problemen der Seeschifffahrt. Sie bewachsen Schiffsrümpfe − dieses Phänomen wird Fouling genannt − und sorgen somit über einen höheren Strömungswiderstand für eine rasante Erhöhung des Treibstoffverbrauchs. Ausgerechnet der Hai – einer der gefährlichsten Räuber der Erde – hilft als Vorbild nun bei der Rettung der Natur. Ein von Bionikern entwickelter giftfreier Antifouling-Anstrich nach dem Vorbild der Haihaut kann Millionen Tonnen Treibstoff sparen helfen. Damit würde man für eine riesige Emissions- und damit Kostenersparnis sorgen  − und gleichzeitig die bisher als Antifouling-Anstrich eingesetzten umweltschädigenden TBT − und Kupferverbindungen unnötig machen.

Technische Anwendung
Bioniker der Hochschule Bremen unter Leitung von Professorin Antonia B. Kesel entschlüsselten den Bauplan der künstlichen Haihaut und entwickelten daraus einen Silikonanstrich. Er vermindert den unerwünschten Unterwasserbewuchs um bis zu 70 Prozent. Viele Sportbooteigner haben das neue Produkt bereits erfolgreich getestet, für den Einsatz in riesigen Frachtern wird das Produkt derzeit noch weiterentwickelt. Die „künstliche Haihaut“ kommt auch in anderen Bereichen zum Einsatz – hier vor allem wegen ihrer günstigen Strömungseigenschaften. Ein mit einer sogenannten Riblet-Folie ausgestattete Boot triumphierte 2010 beim berühmten America’s-Cup der Segler. Auch bei Flugzeugen brachte der Testeinsatz der „Haihaut“ eine signifikante Treibstoffersparnis. Auch an Lacken mit Nanopartikeln, die der Haihaut ähneln, wird geforscht.

Bionisches Funktionsprinzip
Die Haihaut ist rau und mit winzigen kleinen Zähnchen besetzt. Die spitzen Placoidschuppen der Haie verhindern die Anhaftung von Organismen. Sie sind beweglich gelagert und können sich gegen- und übereinander verschieben. So halten sich Haie Parasiten vom Leib. Zugleich haben Haie feine Rillen in den Schuppen, die nicht nur den Strömungswiderstand im Wasser vermindern sondern auch verhindern, dass sich Seepocken ankleben können. Aus dem Bauplan der Haihaut-Zähnchen wurde die künstliche Silikonhaut entwickelt.

Vorbild aus der Natur
Der Hai ist einer der gefürchtetsten Raubfische der Meere. Es gibt über 500 Arten, die teilweise extrem unterschiedlich sind. Die bis zu 14 Meter langen und 12 Tonnen schweren Walhaie ernähren sich beispielsweise nur von Plankton. Die Sinnesorgane sind hochentwickelt – die Augen sind zehnmal lichtempfindlicher als die der Menschen, Beute kann schon aus 75 Metern Entfernung gewittert werden. Der Makohai erreicht im Wasser Geschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometern – auch wegen ihrer durch die Evolution perfektionierten Haut.

>> Zahlen <<

70 Prozent beträgt die Verminderung des Unterbewasserbewuchses durch künstliche Haihaut.

>> BIOKON-PROFIL <<

Professorin Antonia B. Kesel ist Gründerin und Leiterin des Bionik-Innovations-Centrums (B-I-C) der Hochschule Bremen. Das B-I-C koordiniert die Forschung im Grundlagen- und Anwendungsbereich. Weiterhin stützt und moderiert das Institut den Technologietransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft, nicht zuletzt im Rahmen der nationalen und internationalen Vernetzung unterschiedlichster Akteure. Dem B-I-C ist es gelungen, in einem relativ kurzen Zeitraum, sich als feste Größe in der deutschen Bionik-Landschaft zu etablieren.
Antonia Kesel ist Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für Technische Biologie und Bionik GTBB und selbstverständlich ist sie Mitglied im Bionik-Kompetenznetz BIOKON, dessen Vorstand sie seit 2006 angehört, seit 2013 als Vorstandsvorsitzende.

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Best Practices // 1. August 2014

Bionik-Dübel nach Parasiten-Vorbild helfen am Bau

Bionik-Innovation
Wegen der energetischen Modernisierung werden heutzutage viele Wände aus weicheren Materialien konstruiert. Wärmedämmverbundsysteme und Gipskartonplatten sorgen allerdings dafür, dass Dübel zunehmend schwerer Halt finden. Eine Lösung für das Problem fanden die Bioniker Markus Hollermann und Felix Förster ausgerechnet bei Parasiten wie Zecken oder Zikaden, die sich mit ihren Mundwerkzeug in den Wirt bohren. „So wurde ein Dübel entwickelt, der sich in der Wärmedämmschicht fixieren kann – nach dem Vorbild der Natur“ erklärt Felix Förster. Das Forschungsergebnis im Rahmen ihrer Abschlussarbeit bescherte den beiden Studenten und Mitgliedern des Bionik-Kompetenznetzwerks BIOKON auch den „Internationalen Bionic-Award 2010“. Sie haben auch ihr eigenes Unternehmen. Name: Die Bioniker.

Technische Anwendung
Die Bionik-Dübel nach Parasiten-Vorbild entstanden in einem Projekt der Universität Bremen in Zusammenarbeit mit der fischer Unternehmensgruppe. Durch die Leichtbauweise der neuen Systeme wird der Montageaufwand geringer. Auf Baustellen reduziert sich mit dem Gewicht der Bauteile zugleich auch der Aufwand für Montagesicherungen und Gerüste. Die Leichtbaumaterialien machen das Leben für Monteure erheblich leichter – und die neuen Dübel halten im Gegensatz zu den traditionellen schlicht besser. Das ist nur ein Beispiel für innovative Befestigungs- und Fügelösungen für Leichtbausysteme, die durch die Natur inspiriert wurden.

Bionisches Funktionsprinzip
Als biologisches Vorbild für minimalinvasive Befestigungssysteme wurden parasitäre Organismen herangezogen. Die für ihr „Zirpen“ bekannten Zikaden zum Beispiel bohren sich mit ihren Mundwerkzeugen durch die Blattoberfläche hindurch, um Pflanzensäfte zu saugen. Dabei kommt es zu einer temporären Verankerung im Pflanzgewebe. Ähnlich sieht es bei Zecken aus, die sich mit einer ausgeklügelten Technik in ihren Wirt verbeißen. Die Verankerungsstrukturen standen dabei im Fokus der Untersuchungen. Anschließend wurden nach den gewonnenen Erkenntnissen innovative Leichtbaubefestigungssysteme entwickelt.

Vorbild aus der Natur
Zecken sind Parasiten, die sich vom Blut von Wirbeltieren wie dem Menschen ernähren. Es gibt weltweit etwa 90 Arten, die als Krankheitsüberträger gefürchtet sind. Das wesentliche Merkmal der Zecken sind die Mundwerkzeuge, mit der sich die Tiere in den Wirt verbeißen. Der Stechrüssel weist häufig Zähne auf, die als Widerhaken wirken – und jetzt zum Dübelvorbild geworden sind.

>> Info <<

Beißen oder stechen Zecken?
Zecken haben einen hochentwickelten Stechapparat, der für ihre Art der Nahrungsaufnahme hervorragend geeignet ist. Im Gegensatz z.B. zu Stechmücken, stechen Zecken keine Adern an. Mit ihren scherenartigen Mundwerkzeugen (Cheliceren) reißen sie die Haut des Wirtes auf und graben mit ihrem „Stachel“ (Hypostom) eine Grube in das Gewebe, die mit Blut vollläuft und während des Saugvorganges immer wieder leergesaugt wird. Deshalb spricht man von einem Zeckenstich. Dabei gibt die Zecke während des Verdauungsvorgangs überschüssige Flüssigkeit zurück in die Wunde. Dieser Vorgang wiederholt sich während der gesamten Saugdauer. Hierbei können Erreger übertragen werden, die sich im Darm der Zecke befinden. (z.B. Borrelien)
(Quelle: www.zecke.ch)

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Best Practices // 31. July 2014

Effizient und ressourcenschonend: die bionische Bauteiloptimierung

Bionik-Innovation
Ob Wabenstrukturen oder Verbundmaterialien – in der Natur ist der Leichtbau weit verbreitet. Über Jahrmillionen sind Tiere und Menschen durch die Evolution nach dem Prinzip höchstmögliche Stabilität bei möglichst geringem Gewicht perfektioniert worden. Die Bionik-Forschung hat daraus Prinzipien für die Optimierung von Bauteilen abgeleitet. Die Soft Kill Option (SKO) ist ein rechnergestütztes Optimierungsverfahren, bei der wenig belastete Bereiche eines Bauteils entfernt werden, um Gewicht zu sparen. Bei der Computer Aided Optimization (CAO) werden Spannungen in Bauteilen simuliert. Durch die Kombination von SKO und CAO entstehen optimal an Belastungen angepasste Bauteile – bei denen zugleich Material gespart und die Langlebigkeit erhöht wird.

Technische Anwendung
Die bionische Bauteiloptimierung bietet Chancen in unterschiedlichsten Bereichen. Erfolgreich angewendet wurde sie schon bei der Entwicklung orthopädischer Schrauben oder in Gießereien. Aber auch in der Architektur finden sich in Sachen Leichtbauweise zum bei Spiel beim „Vogelnest“-Olympiastadion 2008 von Peking Anleihen aus der Natur. Intelligente Brücken können in Zeiten hohen Verkehrsaufkommens steifer sein als in Zeiten mit weniger Betrieb. Ein besonders spektakuläres Beispiel für die bionische Bauteiloptimierung ist das „Bionic Car“ von Daimler. Es wurde nach dem Vorbild des tropischen Kofferfischs unter dem Motto möglichst hohes Platzangebot mit möglichst geringem Strömungswiderstand gebaut. So wurde am Ende ein Cw-Wert von 0,19 erreicht – bei herkömmlichen Fahrzeugen liegt der bei 0,30. Zum einen sank der Spritverbrauch dadurch um 20 Prozent, zum anderen wurde das Auto durch die SKO-Methode um 30 Prozent leichter als vergleichbare Autos gebaut.

Bionisches Funktionsprinzip
Knochen von Menschen und Tieren passen sich Belastungen optimal an. Bei wenig Belastung – zum Beispiel bei Astronauten im Weltall – wird zum Zweck des Energiesparens Knochengewebe abgebaut. Nach diesem Prinzip wurde das SKO-Verfahren entwickelt. Je leichter ein Bauteil oder Fahrzeug ist, umso weniger Energie verbraucht es. Für das CAO-Verfahren liefert das Baumwachstum das Vorbild aus der Natur. Um Ast- oder Stammbruch vorzubeugen, lagern Bäume beim Wachstum an potenziellen Bruchstellen zusätzliches Material an. So werden Spannungen ausgeglichen und eine höhere Stabilität erreicht.

Vorbild aus der Natur
Bäume wachsen dem Licht entgegen – oftmals schief und krumm. Um dennoch Wind und Wetter zu trotzen, passt sich die Wuchsform den äußeren Gegebenheiten an. Weht zum Beispiel der Wind häufig aus einer Richtung, wächst der Baum in Windrichtung schief. Zudem ist der Stamm unten breit und verjüngt sich nach oben. Somit kann er ähnlich wie ein Grashalm einem gewissen Winddruck widerstehen. Auch Knochen sind nach dem Leichtbau-Prinzip höchstmöglicher Stabilität bei möglichst geringem Gewicht optimiert – und passen sich in der Lebenszeit bis zu einem gewissen Punkt dynamisch den Herausforderungen an.

>> Zahlen <<

2,8 Liter: durchschnittlicher Spritverbrauch des Bionic Cars bei konstant 90 km/h.

100 kg weniger Gewicht bei einem Fahrzeug senken den Benzinverbrauch je nach Einsatzgebiet um 0,3 bis 0,5 Liter/100 km. Das entspricht 8-11 g weniger CO2-Ausstoß pro Kilometer.

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Best Practices // 31. July 2014

Wölbstruktur: Sparsam und schön anzuschauen

Bionik-Innovation
In der Natur gibt es vielfältige Wölbstrukturen mit wabenähnlichen Mustern – ob nun bei Schildkrötenpanzern oder der Schlangenhaut. Diese haben zahlreiche gute Eigenschaften: Sie sind vergleichsweise leicht und dennoch formstabil, nehmen vergleichsweise viel Stoßenergie auf ohne zu brechen und sind dazu oft wetterfest wie optisch gut anzuschauen. Aus diesem Vorbild entwickelten Forscher und Firmen wie die Dr. Mirtsch GmbH hexagonale Wölbstrukturen, die zum Beispiel auf Folien oder Metallbleche aufgebracht werden. Die Materialien mit wabenähnlichen Mustern sind nicht nur vergleichsweise steifer, sondern auch thermostabiler, widerstandsfähiger, strömungsgünstiger und blendärmer. In vielen Fällen kann damit eine Material- oder Gewichtsersparnis von bis zu 30 Prozent gegenüber vergleichbaren Produkten realisiert werden. „Was die Evolution geleistet hat, ist einfach fantastisch. Da können wir noch viel lernen“, sagt Firmenchef Professor Frank Mirtsch.

Technische Anwendung
Eines der Vorzeigebeispiele für die Wölbstrukturierungstechnik ist die liebevoll als „blaue Schildkröte“ bezeichnete Sporthalle in Odessa. Das wölbstrukturierte Aluminiumblech bringt etwa 30 Prozent Gewichtseinsparung gegenüber der konventionell glatten Konstruktion. Früher gefürchtete Hagelschäden sind wegen der hohen Steifigkeit und der diffusen Lichtbrechung kaum sichtbar. Ein anderes Beispiel: Die Firma Miele hat eine Schontrommel mit Wabenstruktur patentiert. Sie sieht in der „weltweit ersten bionischen Waschmaschinentrommel“ eine „sanfte Revolution“, die einen wäscheschonenden „Quantensprung“ bringe. Im Automobilbau wird das Material im Mercedes SLK – wo eine wölbstrukturierte Rückwandplatine Material spart, geräuschmindernd wirkt und einen geringen Bauraum beansprucht sowie bei einem Leichtbau-Katalysator eingesetzt. Auch bei der blendarmen Leuchte Hexal der Firma Siteco zeigen sich die Vorzüge der Wölbstrukturen.

Bionisches Funktionsprinzip
Wölbstrukturen in der Natur vereinen viele praktische Eigenschaften. Bei Experimenten wurde festgestellt, dass sich dieser kontrollierte Selbstorganisationsprozess technisch nachempfinden lässt. In der Produktion von wölbstrukturierten Werkstoffen wird sanfter Druck auf ein gekrümmtes, dünnes Material ausgeübt, das gleichzeitig abgestützt wird. Dabei weicht das Material intelligent und energieminimiert in eine 3D-Struktur aus, die allseitig formsteifer als das Ausgangsmaterial ist und gleichzeitig die Oberflächengüte vollständig erhält. Mit dem ausgeklügelten Verfahren kann die Wölbstruktur auf Bleche, Folien oder andere Materialien aufgebracht werden.

Vorbild aus der Natur
Schildkröten gibt es auf der Erde in über 300 Arten und schon mehr als 220 Millionen Jahre. Das zeigt, wie perfekt sie an das Leben angepasst sind. Das große Erfolgsgeheimnis ist dabei ihr wölbstrukturierter Panzer, unter den sich die Schildkröten bei Gefahr zurückziehen können. Er kann bei Riesenschildkröten ein Gewicht von mehreren Hundert Kilo aushalten. Gut gepanzert können Schildkröten über 100 Jahre alt werden.

>> Zahlen <<

30 Prozent beträgt die mögliche Gewichtsersparnis durch Leichtbau-Produkte mit der Wölbstrukturierungstechnik.

>> BIOKON-PROFIL <<

Prof. Dr. Frank Mirtsch studierte Verfahrenstechnik an der TH Hannover und der Universität Hamburg. Von 1988 bis 2009 wirkte er als Professor für Thermodynamik, thermische Verfahrenstechnik und Bionik an der TFH Berlin. 1993 gründete er bei Berlin die Dr. Mirtsch GmbH, die sich mit der Entwicklung und Fertigung wölbstrukturierter Materialien inzwischen weltweit einen Namen gemacht hat.

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Best Practices // 31. July 2014

Produkte mit dem Fin Ray Effect® beeindrucken selbst den Bundespräsidenten

Bionik-Innovation
Bundespräsident Joachim Gauck war beeindruckt. Während der „Woche der Umwelt“ 2012 hatten es ihm bei einer Präsentation die Möglichkeiten von Produkten mit dem Fin Ray Effect® angetan. Sie basieren auf dem Prinzip der Flossen von Knochenfischen, die sich entgegen der Erwartung der Druckkraft entgegenbiegen. Das natürliche Funktionsprinzip wurde von der EvoLogics GmbH entschlüsselt – und nach diesem Vorbild anschließend eine technische Konstruktion für diverse Produkte entwickelt. All diese eint eine verbesserte Funktionsweise sowie eine Materialersparnis gegenüber herkömmlichen Produkten.

Technische Anwendung
Es gibt vielfältigste Produkte mit dem Fin Ray Effect®. Der adaptive Greifer DHDG der Festo AG zum Beispiel passt sich der Struktur des Werkstücks perfekt an und kann sich zum Beispiel in Sortier- und Umsetzanlagen von empfindlichen Produkten, wie Schokoladeneier, Eier, Blumenzwiebeln oder Früchte, bewähren. Auch im Maschinenbau oder bei Hilfs- und Unterstützungsarbeiten im Gesundheitswesen kann der bionische Greifer eingesetzt werden. Der bionische Auswringer PowerPress® der Vileda GmbH hilft dagegen der Hausfrau und dem Hausmann: Er sorgt dafür, dass bei gleichem Kraftaufwand eine bis zu 30 Prozent höhere Auswringleistung beim Wischmop erreicht wird. Weitere futuristische Produkte mit dem Fischflossen-Effekt sind der Airacuda (ein ferngesteuerter, pneumatisch angetriebener künstlicher Fisch) Air_ray, der fliegende Rochen oder AquaJelly und AirJelly (künstliche, selbststeuernde Systeme nach dem Vorbild der Quallen). Die Einsatzgebiete für Produkte mit dem Fin Ray Effect® sind nahezu unbegrenzt.

Bionisches Funktionsprinzip
Fischflossen verhalten sich unter seitlicher Druckeinwirkung unerwartet. Drückt man mit dem Finger leicht gegen die Schwanzflosse einer Forelle, so knickt diese nicht in Druckrichtung weg, sondern die Flosse bewegt sich entgegen der Druckrichtung zum Finger hin. Diesen Effekt bezeichnet man als Fin Ray Effect®. Entdeckt wurde er vom Berliner Bioniker Leif Kniese im Jahr 1997 im Angelurlaub. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rudolf Bannasch entschlüsselte er die Wirkungsweise im Labor. Der Flossenstrahl-Effekt beruht auf der Struktur der einzelnen Flossenstrahlen und wird in der Technik inzwischen vielfältig verwendet. Die technische Konstruktion ist ein Dreieck aus biegeelastischen Längs- und Querstreben, die elastisch miteinander verbunden sind. Sie wurde von der EvoLogics GmbH patentiert.

Vorbild aus der Natur
Die Schwanzflossen der Knochenfische wurden im Lauf der Evolution auf seitliche Druckeinwirkung optimiert. Durch den Aufbau der Flossenstrahlen aus zwei Längsstrahlen und dazwischenliegendem Bindegewebe kann die Flosse eine kellenförmige Gestalt annehmen. In dieser „Kelle“ kann ein Wasservolumen eingeschlossen und nach hinten beschleunigt werden. Dadurch bewegt sich der Fisch hocheffizient nach vorne.

>> Zahlen <<

30 Prozent beträgt die Erhöhung der Auswringleistung beim bionischen Auswringer mit Fin Ray Effect®

>> BIOKON-PROFIL <<

Dr. Rudolf Bannasch, Polarbiologe und Bioniker, beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit genialen Erfindungen der Natur. Eines sehr Spezialgebiete, die strömungsgünstige Körperform von Pinguinen, zählt mittlerweile zu den Klassikern der Bionik. Sie war für ihn Vorbild für den Bau von Unterwasserfahrzeugen. In seiner eigens gegründeten Firma EvoLogics GmbH arbeitet Bannasch an der Realisierung von weiteren bionisch inspirierten technischen Anwendungen wie zum Beispiel auch Produkten mit dem Fin Ray Effect®.

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Best Practices // 31. July 2014

Perfekt vernebelt: μMist®-Technologie revolutioniert nicht nur die Einspritztechnik

Bionik-Innovation
Der Bombardierkäfer bot britischen Bionik-Forschern Novid Beheshti und Andy McIntosh von der Universität Leeds die Inspiration für die Entwicklung einer neuartigen Verneblungstechnik, die das Potenzial hat, einen herausragenden Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Die μMist®-Technologie könnte zum Beispiel den Einsatz von klimaschädigenden Fluor-Chlorkohlenwasserstoffen (FCKW) und anderen Treibgasen weitgehend überflüssig machen sowie die Einspritztechnik in der Automobil- und Flugzeugindustrie revolutionieren. Neben der Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Schadstoffen könnten auch Materialien und Kosten beim Bau der Einspritzvorrichtungen gespart werden.

Technische Anwendung
Die μMist®-Technologie sorgt dafür, dass der Treibstoff in Verbrennungsmotoren in kleineren Tropfen versprüht und mit geringerem Druck gearbeitet werden kann. Das birgt riesiges Potenzial in Sachen Ressourcenschonung und Kosteneffizienz. Die Innovation könnte aber auch zur Grundlage für die nächste Generation von Dampfträgersystemen werden. Ob in Verneblern/Sprays, Feuerlöschern, nadelfreien Injektionen für Impfungen oder Inhalatoren für Asthmapatienten – die Anwendungen sind vielfältig und könnten in alle von FCKW und anderen Treibgasen abhängigen Industrien durchschlagen. Vor allem in der Medizin bietet die feine Verneblung von Medikamenten für Patienten mit Atemwegserkrankungen ohne Einsatz von Chemikalien riesige Vorteile.

Bionisches Funktionsprinzip
Der Bombardierkäfer hat einen speziellen Sprühmechanismus, mit dem er sich mit einer Mischung aus Dampf und Giftstoffen gegen Angreifer verteidigt. Bei Zeitlupen-Untersuchungen der Forscher wurde die geniale Wirkungsweise entschlüsselt: Der Käfer stößt die Flüssigkeit durch eine schnelle Serie von Schüben mit wachsendem Druck aus. Es folgt ein Ausstoß, durch den der Druck abfällt, wodurch wiederum mehr Flüssigkeit aufgrund des Unterdrucks einströmen kann und der Druck wieder aufgebaut wird. Bionik-Forscher und Techniker entwickelten nach diesem Vorbild ein Verfahren, mit dem mittels der Kombination von Hitze und Flashverdampfung Flüssigkeiten aus kleinen Behältern bis zu vier Meter weit verspritzt werden können. Und das viel umweltfreundlicher als bisher: Treibgas ist damit nicht mehr nötig, die Chemikalie wird durch eine Erhitzungs- und Evaporationstechnik ersetzt. Das System gleicht einem Druckkochtopf mit Ventilen.

Vorbild aus der Natur
Der Bombardierkäfer gehört zur Gruppe der Laufkäfer und ist weltweit mit über 500 Arten vertreten. Er ist zwar nur höchstens zwei Zentimeter groß, aber extrem wehrhaft. Er kann seine Giftstoffe über 20 Zentimeter weit schießen und sich damit gegen Ameisen oder Frösche verteidigen. Das schafft er unglaubliche 500 Mal pro Sekunde. Grundlage ist eine Art „Explosionskammer“ im Körper, bei der mittels einer chemischen Reaktion Wärme und hoher Druck entstehen. Dadurch schießt ein ätzendes, etwa 100 °C heißes Gasgemisch mit einem Knall aus dem Hinterleib auf den Angreifer.

>> Zahlen <<

15 Milliarden:
geschätzte Zahl der Treibgasbehälter, die weltweit jährlich verkauft werden. Sie sind das Potenzial für den Einsatz der μMist®-Technologie

>> BIOKON-PROFIL <<

Swedish Biomimetics 3000 ist die internationale Plattform für die μMist®-Technologie in Schweden. Mehr Infos gibt es hier: www.swedishbiomimetics.com

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