„Mr. Lotuseffekt“ wird 70

Der Schwimmfarn Salvinia ist mit seinen an Schneebesen erinnernden Härchen auf den Schwimmblättern in der Lage, über lange Zeit eine Luftschicht unter Wasser an seiner Oberfläche zu halten.

Aktuelles // 21. Juni 2016

„Mr. Lotuseffekt“ wird 70

Der Lotuseffekt war eine grundlegende Entdeckung in der Bionik. Er führte zu einem Paradigmenwechsel in bestimmten Bereichen der Materialwissenschaften und ermöglichte die Entwicklung superhydrophober bionischer Oberflächen. Das 20-jährige Jubiläum des Lotuseffekts selbst feiern wir zwar erst im kommenden Jahr, aber sein Entdecker, BIOKON-Ehrenmitglied Professor Dr. Wilhelm Barthlott, begeht heute seinen 70sten Geburtstag, zu dem wir herzlichst gratulieren.

Geboren in Forst, studierte Wilhelm Barthlott Biologie und Geographie an der Universität Heidelberg und arbeitete danach von 1974 bis 1981 als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Systematische Botanik und Pflanzengeographie der Universität Heidelberg. 1981 habilitierte er an derselben Universität und untersuchte das Phänomen der selbstreinigenden Oberflächen. Diese Arbeit führte schließlich zur Übertragung des Lotus-Effekts auf technische Anwendungen. Von 1982 bis 1985 war er Professor und Abteilungsleiter am Institut für Systematische Botanik und Pflanzengeographie der Freien Universität Berlin. 1985 wurde er an die Universität Bonn berufen, wo er bis 2002 Professor und Direktor am Botanischen Institut und des Botanischen Gartens der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn war. Nach Neustrukturierung und Modernisierung des wunderschönen botanischen Gartens und Umstrukturierung des botanischen Instituts 2002 war Professor Barthlott seit 2003 bis zu seiner Emeritierung im Juli 2011 Geschäftsführender Direktor des neugegründeten Nees-Instituts für Biodiversität der Pflanzen und Direktor der Botanischen Gärten der Universität.

Der von Professor Barthlott 1997 beschriebene Lotus-Effekt ist das Paradebeispiel der Bionik. Rund um diese bahnbrechende Innovation, die zu den 12 wichtigsten Innovationen aus Deutschland der letzten 50 Jahre gezählt wird, existieren mittlerweile rund 200 Nebeninnovationen. Kaum ein anderes Beispiel der Bionik hat einen vergleichbaren Weg in die Öffentlichkeit gefunden und sich dabei gleichzeitig oft weit vom eigentlichen Inhalt gelöst.

Doch auch wenn der Lotus-Effekt zweifellos seine bekannteste Entdeckung ist, sind seine Forschungsfelder sehr vielfältig, was auch die mehr als 400 Publikationen umfassende Publikationsliste belegt. Gerade hat er, gemeinsam mit Matthias Mail und Professor Christoph Neinhuis eine umfangreiche Arbeit zu superhydrophoben Oberflächen abgeschlossen, die innerhalb der nächsten Tage in einem Sonderband der Phil Trans A veröffentlicht wird.
Darüber hinaus hat Professor Barthlott auch etliche weitere Forschungsgebiete maßgeblich beeinflusst: von der Systematik der Kakteen, den pflanzlichen Oberflächen, über die Erforschung tropischer Inselberge, den Epiphyten von Regenwäldern, bis hin zur weltweiten Biodiversitätskartierung.

Mit dieser Vielzahl an Fragestellungen wird es einem natürlich nicht langweilig und so leitet Wilhelm Barthlott noch heute eine Arbeitsgruppe. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Erforschung des Salvinia-Effekts. So gibt es auch immer wieder neue spannende Themen – gerade im letzten Jahr wurde ein völlig neuartiges biologisches Sensorsystem entdeckt und patentiert.

Wilhelm Barthlott ist Mitglied mehrerer nationaler und internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen – darunter der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz, der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften Düsseldorf, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, sowie Foreign Member der Linnean Society London Komitees.
Er wurde mit verschiedenen angesehenen Preisen ausgezeichnet. Neben dem Karl Heinz Beckurts-Preis 1997 für wirtschaftlich innovative Grundlagenforschung sind dies insbesondere der der Philip-Morris-Forschungspreis 1999 sowie der Deutschen Umweltpreis ebenfalls 1999.

Aber Wilhelm Barthlott ist nicht nur ein erfolgreicher Forscher, sondern auch ein sehr erfolgreicher Lehrer. 140 Studenten haben Diplom- oder Staatsexamen bei ihm gemacht, 42 Doktoranden haben erfolgreich promoviert und 8 davon haben sich habilitiert und sind mittlerweile alle als Professoren an Hochschulen berufen.

Wir sind sicher, dass ihn das Interesse an der Biologie, vor allem aber an der Bionik noch sehr lange antreibt und Wilhelm Barthlott als aktiver Bioniker und wichtiger Teil des Bionik-Kompetenznetzes weiter herausragende Forschung betreibt, worauf wir uns voller Spannung freuen.
Zum 70. gratulieren wir herzlich.

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